Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 137


Innere Beschauung der Schöpfung.

01] Sage Ich: »Das genügt vollkommen! Aber Ich werde dir nun eine andere Art und Weise zeigen, wie ein in seinem Herzen vollendeter Mensch die Sterne bereisen kann, ohne auch nur eine Linie von dieser Erde entrückt zu werden; aber freilich ein leuchtend Steinchen kann man da nicht so leicht zum Zeugnisse mit herübernehmen! - Nun, du hast dir den Stern gemerkt, den du bereiset hast?«

02] Sagt die Jarah: »Ja, Herr!«

03] Sage Ich: »Nun, so stelle dir ihn so recht lebendig in deinem Herzen vor, sieh mit deinen Augen einige Zeit unverwandt nach ihm hin und sage Mir, wie er sich dir nach wenigen Augenblicken zeigen wird!«

04] Die Jarah tut das sogleich, und nach wenigen Augenblicken sagt sie: »Herr, Herr, Du mein Gott, Du meine Liebe, nun sehe ich ihn, wie bei meinem Hinfluge im vierten Abschnitte. Er wird nun immer größer, und sein Licht ist kaum erträglich! Ah, das ist ein erschrecklich starkes Licht; aber zum Glück tut es den Augen kein Wehe! Oh, oh, nun ist das ganze Firmament nur ein erschrecklich starkes, ungeheuer mächtig wogendes Lichtmeer! O Gott, o Gott, wie groß und wundervoll sind Deine Werke, und Du wandelst im Fleische als ein schlichter, alles Anspruchs loser Mensch unter den Menschenwürmern dieser Erde!

05] Oh, oh, oh! Nun bin ich wieder auf demselben Berge und sehe ringsum dieselbe Gegend voll Herrlichkeiten der Herrlichkeiten! Ich sehe dieselben Tempel wieder, dieselben Menschen und ihre schönen Gärten; auch sehr schöne Blumen sehe ich. Aber die kleinste von ihnen ist größer denn ein Haus auf dieser Erde; die könnte ich mir wohl nicht zum Andenken abpflücken! Ah, nun sehe ich aber auch allerlei Tiere, und die wunderschönsten Vögel sehe ich auch; aber sie sind auch ganz entsetzlich groß! Auf den ungeheuren Bäumen hängen Dir gar selten große Früchte, und dabei bemerke ich auch, wie ein paar Menschen in einem Garten danach mit ihren Händen greifen und sie richtig auch in den Mund stecken! Nun, nun, an solch einer Birne, oder was sie sonst für eine Frucht ist, hätten auf dieser Erde wohl tausend Menschen auf ein ganzes Jahr zur Übergenüge zu essen!«

06] Sage Ich: »Nun gib acht, du wirst jetzt zu einer Art Stadt dieser Welt kommen; sage Mir, wie diese dir gefällt!«

07] Die Jarah schlägt bald darauf die Hände über dem Kopfe zusammen und schreit förmlich vor Entzückung auf, sagend: »Aber um Deines allerheiligsten Namens willen, das ist ja eine Herrlichkeit, von der sich noch nie ein Menschenherz hat etwas träumen lassen können! Oh, das ist unbeschreiblich! Welche Tempelreihen! Welche Säulengänge, welche Kuppeln! Nein, diese Pracht, Größe und Herrlichkeit! Herr, ich bitte Dich, führe mich zurück; denn diese zu unnennbar überschwengliche Herrlichkeit würde mich töten!«

08] Sage Ich: »Nun, so mache deine Augen zu und denke an Mich und an die Erde, dann wird es gleich wieder gut sein!« - Die Jarah tut das und schaut nun ihren Stern wieder als Stern vor sich.

09] Als sie sich ein wenig wieder gesammelt hat, fragt sie (Jarah) Mich gleich: »Herr, hat etwa der Engel auch auf diese Weise, wie Du nun, mir jenen Stern gezeigt? Denn ich habe ihn nun um vieles besser gesehen denn ehedem und war nur gewisserart bloß geistig dort. Ich meine, der liebe, gute Engel hatte mich scheinhalber nur ein bißchen von hier entrückt und mir dann auch den Stern also gezeigt!?«

10] Sage Ich: »Nein, der Engel hat deinen Wunsch vollkommen ausgeführt! Und solches war aber auch nur mit dir möglich, weil dein Herz von Liebe überfüllt ist; mit jedem andern Menschen aber wäre so etwas rein unmöglich zu bewerkstelligen gewesen. Und würde ein Engel, was er zwar wohl könnte, mit einem gewöhnlichen Weltmenschen das tun, so würde schon die Annäherung eines solchen Engels den Weltmenschen augenblicklich töten!

11] Aber du hast Mich ehedem gefragt, ob alle die Sterne solche Welten seien; und Ich antwortete dir mit Ja. Nun, so du, Meine allerliebste Jarah, es wünschest, so überzeuge dich auf dieselbe Weise! Sieh, wenn ein weltlicher Jüngling um eine junge Braut freit und sie zu seiner Erwählten macht, so eröffnet er vor ihr auch alle seine Schätze, um sie, die sein Herz liebt, sich geneigter zu machen; denn, so sie ihn schon nicht möchte seiner Person wegen, so wird sie ihn doch annehmen seiner großen Schätze wegen. Und sieh, Ich tue nun vor dir desgleichen, auf daß du dereinst zur Zeit der Versuchung der Welt nicht abfällest von Meinem Herzen. Darum überzeuge dich nun von Meinen Schätzen, auf daß du einsehen kannst, daß Ich nun nicht so arm dastehe, wie es Mein Äußeres den Menschen zu verkünden scheint. Sieh, Ich bin nun einmal dein Geliebter und zeige dir darum auch ein wenig etwas von Meinen großen Besitztümern!«

12] Sagt die Jarah: »Herr, Du mein Leben, wenn ich darum noch einen Stern weiter ansehen wollte, um mich dadurch vor einer Untreue in meiner Liebe zu Dir zu verwahren, so wäre es mir leid, den einen Stern angeschaut zu haben; denn Du allein bist mir ja endlos mehr denn alle die zahllosen Sterne mit allen ihren Herrlichkeiten! Wahrlich, um Dich über alles zu lieben, brauche ich nichts, ewig nichts, als Dich allein; aber nur Dir zuliebe, weil Du es wünschest, sehe ich auch recht gerne die Wunder Deiner Macht und Weisheit an!«

13] Sage Ich: »Höre, du Meine allerliebste Jarah, Ich sehe wohl in dein Herz und lese es darin, wie sehr du Mich liebst, und kenne auch deine Treue; aber du bist nun noch mehr ein Kind als ein erwachsenes Mädchen. Bis jetzt warst du gleichfort unter dem Schutze Meiner Engel, und die bösen Geister der Welt konnten sich dir nicht nahen; wenn aber deine Jahre reifer werden, dann wirst du aus deiner eigenen Kraft der argen Welt und ihren Gelüsten widerstehen müssen, um dadurch nach Meiner für alle Wesen gestellten unwandelbaren Ordnung aus dir selbst den festen Boden zu gewinnen, auf dem du dich Mir erst wahrhaft im Geiste und in aller Wahrheit wirst nahen können. Und sieh, da hat die Welt eine starke Macht über den Menschen, weil die Welt von der Hölle aus zum größten Teile beherrscht wird, und es kostet da der Seele manch harten Kampf, um nicht von ihrem eigenen Fleisch und Blut und dadurch dann auch von der Welt verschlungen zu werden!

14] Deine Gestalt ist eine sehr schöne. Bald werden die Weltjungen ihre Augen auf dich werfen und dir Herz und Hand bieten, und es wird dir schwer werden, ihnen zu begegnen. Wenn aber solche Zeit kommen wird, dann gedenke in deinem Herzen Meiner und alles dessen, was du auf dieser Höhe alles gehört und gesehen hast, und der Sieg über die Welt wird dir ein leichter werden!«

15] Sagt die Jarah etwas traurig: »Aber das muß Dir ja doch schon von Ewigkeit her klar sein, ob ich Dir je ungetreu werden könnte!? Und siehst Du in mir eine künftige Untreue, wie magst Du mich lieben? Und kannst Du es einer künftigen Sünderin gestatten, daß sie sich Dir naht?«

16] Sage Ich: »Das ist für dich, Meine allerliebste Jarah, noch viel zu hoch! Aber Ich werde dir aus besonders großer Liebe zu dir dennoch etwas sagen: Sieh, Ich kann zwar alles wissen schon von Ewigkeit her, was mit einem Menschen wird, wenn Ich es wissen will; aber auf daß der Mensch in der Reife seiner Jahre völlig frei und unbeirrt handeln kann, so ziehe Ich auf eine bestimmte Zeit Meine Augen von ihm ab und nehme keine Wissenschaft von seinem freien Handeln, außer er a bittet Mich inständigst, ihm zu helfen beim freien Kampfe mit der Welt. Da sehe Ich Mich nach ihm um, helfe ihm auf den rechten Weg und verleihe ihm beim Kampfe mit der Welt die nötige Kraft. (a  Matthäus.07,07*; = Lukas.11,09Matthäus.18,19Matthäus.21,22Markus.11,24Johannes.14,13-14;  Johannes.15,07Johannes.16,241. Johannes.05,14-15Jakobus.01,05Jakobus.04,02Jeremia.29,13jl.ev01.092,15+;  jl.ev09.043,05jl.schr.035,10jl.rbl1.083,13jl.him2.146,02-03; 

17] Und sieh, so will Ich für dich auch keinen Blick in die Zukunft tun, auf daß du frei bleibst in deinem Handeln; aber dafür belehre Ich dich nun, auf daß du zur Zeit der Versuchung dich alles dessen werktätigst erinnern magst. Auch der Schutzengel wird dich in solcher Zeit allein lassen; wenn du aber über die Welt vollends wirst aus deiner Kraft gesiegt haben, dann wird er wieder zu dir treten und wird dir dienen in allen Dingen. - Hast du, Meine allerliebste Jarah, das wohl so ein wenig verstanden?«


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