Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 181


Gute Aufnahme des jungen, besseren Pharisäers durchs Volk. Dessen List gegen seine Kollegen.

01] Sagen die drei Griechen: »Dein Rat ist so übel nicht gemeint; aber er gefällt uns dennoch nicht ganz! Wie lange soll denn die grausame Herrschaft dieser Volksbetrüger noch dauern?! Wir sind ihrer satt geworden, obschon wir mit ihnen in keiner Gemeinschaft mehr stehen; aber sie necken uns dennoch beständig, halten in ihren Schulen Schmähreden über uns und verfluchen und verdammen uns bei jeder Gelegenheit. Wie lange sollen wir uns solche Dinge noch gefallen lassen? Dazu sind sie in bürgerlichen Sachen auch unsere Richter, und so wir ein Recht haben wollen, da müssen wir es uns allzeit teuer erkaufen. Siehe, das ist eine sehr arge Sache, und daher meinen wir, dass morgen für hier solcher Herrschaft ein Ende für immer gemacht wird; denn alle hier seßhaften Juden treten morgen zu uns über, und die Pharisäer werden als für uns durchaus unbrauchbar hinausgeworfen werden bis auf dich, so du bei uns bleiben willst! - Siehe, das ist unser Plan, den wir eigentlich schon dahin ausgeführt haben, dass sich nun kein eigentlicher Jude unter den Bürgern dieses Fleckens befindet! Was sagst du zu solch einem Plan?«

02] Sagt der junge Pharisäer: »Wenn dessen volle Ausführung euch gelingt, so wird dagegen sicher nicht leichtlich jemand weniger einzuwenden haben als ich! Aber seid dabei ja vorsichtig wie die Raben, sonst würde es euch und mir auch eben durchaus nicht wünschenswert ergehen! Denn der alten Füchse weitausgreifende Pfoten kennt niemand besser denn ich, und ihre Luchsaugen sehen durch Wände, und ihre Ohren hören viele Stunden weit, was irgendwo geredet wird. lasst mich aber jetzt heimgehen, auf dass sie über mich keinen Verdacht schöpfen; denn es fängt schon an zu tagen, und die Füchse werden bald wach werden, und so sie mich vermisseten, da wäre es aus!«

03] Sagen die Drei: »So gehe denn; aber habe ja acht, dass du uns gegen die alten Füchse nicht verrätst! Denn da würde es mit dir ein übles Aussehen bekommen!«

04] Der junge Pharisäer geht seinen Weg heim und findet noch alles im festen Schlafe, auch die Wache. Die aber weckt er und macht einen Lärm mit ihr, da sie schliefe. Das weckt denn auch die alten Füchse, und es kommen einige heraus, zu sehen, was es da gäbe.

05] Der junge Pharisäer aber sagte, als wäre er voll Zorn, dass er, keinen Schlaf habend, nachsehen ging, ob die bestellte und bezahlte Wache ihrer Pflicht nachkomme: »Und seht und ärgert euch mit mir, - sie schlief fester denn wir alle! Und der wichtigste Tag bricht an, von dem vielleicht die spätesten Nachkommen reden werden, und die bestellte und teuer bezahlte Wache schläft! Ah, das ist denn doch ein wenig zu stark! So uns heute nacht nicht Jehova besonders beschützt hätte, so hätten wir ja alle von dem aufgeregten Volkshaufen können ermordet werden!«

06] Bei dem Worte schaudern die Alten zusammen und fangen erst an einzusehen, in welch einer großen Gefahr sie sich alle befunden haben, und beloben über alle Maßen ihren jungen Kollegen, dass er über sie alle wie ein Engel Gottes gewacht habe.

07] Den Jungen wäre freilich bald das Lachen angekommen; aber er faßte sich und unterdrückte mit Gewalt, was er nun aus vollem Halse gerne getan hätte. Er gab der Wache mit dem Fuße einen eben nicht zu heftigen Stoß und gebot ihr, sich als nutzlos augenblicklich zu entfernen. Die Wache ging auch sogleich; denn sie schien den Jungen zu verstehen.

08] Als die Wache weg war und der Morgen schon stark den kommenden Tag zu verkünden begann, da sagt der Junge: »Brüder, ich meine, wir werden nicht viel Zeit mehr zu verlieren haben, darum sollten wir uns meines Erachtens doch wohl bald auf den Weg machen, auf dass uns nichts entgehen möge, was da vor sich gehen wird!«

09] Sagen die Alten: »Ja, du hast recht, da dürfen wir nichts versäumen! Hast du aber nach Kapernaum um Soldaten für möglich vorkommende Renitenzfälle (Fälle von Widerspenstigkeit) einen Herold gesandt?«

10] Sagt der Junge: »So ich da auf eure Befehle gewartet hätte, so wären wir schon lange verlesen! Ist schon alles geschehen! Ob die Soldaten aber bald kommen werden, das ist eine andere Frage; denn nach Kapernaum ist es ziemlich weit und nach irgend anderswohin noch weiter. Daher heißt es, mit Geduld abwarten, was da kommen wird, ob Sein oder Nichtsein! (Sprichwort des Jungen)«

11] Es versteht sich ganz natürlich von selbst, dass der Junge an einen Boten um Soldaten nach Kapernaum gar nie gedacht hatte; denn er war ja selbst im geheimen ein Feind der alten Pharisäer, da er eben auch ganz geheim ein Anhänger der Lehre der Essäer war und daher nichts sehnlicher wünschte, als den alten Tempelhelden einen Garaus zu bereiten.

12] Die Alten aber hatten noch kein Morgenmahl genommen und sagten zum Jungen: »Ei, ei, wenn nur die Soldaten bald kämen! Es ist freilich schon hohe Zeit hinzugehen, aber bis die Soldaten kommen, können wir ja doch noch vorher ein Morgenmahl nehmen; denn der Zauberer wird etwa seine Geschichten doch nicht vor dem Aufgange zu treiben beginnen?!«

13] Sagt der Junge: »Oh, sicher nicht! Wenn es euch genehm wäre, so ginge ich bloß auf einen Augenblick nachsehen, ob sich beim Hause Barams schon was regt, und ihr könnt unterdessen das Morgenmahl einnehmen.« (Baram ist der Name des Zimmermanns, bei dem der Herr die Nachtruhe nahm; der Ort aber hieß Jesaira, gegenwärtig eine Steppe.)

14] Sagen die Alten: »Wirst du heute fasten?« - Der Junge: »Das nicht; aber wie ihr es wohl wißt, so kann ich nie vor dem Aufgange etwas zu mir nehmen; daher hebt mir etwas Weniges auf!« Sagen die Alten: »Ganz wohl, gehe daher nur schnell und bringe uns sobald als möglich eine gute Kunde und besonders - von wegen der Soldaten; denn ohne die sind wir - wie du immer sagst - verlesen!«

15] Der Junge geht sogleich fort, und die Alten rufen ihm noch einmal nach: »Nur nicht vergessen von wegen der Soldaten!« Schreit der Junge zurück: »Verlasst euch nur auf mich!«; bei sich aber sagte er noch hinzu: »Dann seid ihr schon verlesen!«



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