Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 1, Kapitel 74


Jorams Zorn über einen erregten, drohenden Vokshaufen. Auch Jakobus und Johannes verlangen Feuer und Blitz über die freche Rotte. Jesu Milde und Gleichnis vom Knecht.

01] Gleich darauf kommt ein ziemlich großer Haufe mit Knitteln versehen zu uns hin und in seiner Mitte zehn Stumme, die durch den Arzt am ersten Abende wegen ihres Schmähens stumm gemacht worden sind; und der Haufe begehrt drohend, dass diesen Stummen die Zunge wieder gelöst werde!

02] Joram, der Arzt, aber tritt sogleich vor und sagt mit einer festen männlichen Stimme: »O ihr Kinder des Bösen! Ist das die neue Art, zu Gott zu kommen und Ihn um eine Gnade anzuflehen?!«

03] Da tritt der Haufe ein wenig zurück und schreit: »Wer ist hier Gott, und wo ist Er?! Hältst du am Ende etwa gar dich für Gott, oder jenen Zauberer aus Galiläa, du breitschultriger Gotteslästerer?!«

04] Sagt Joram noch heftiger: »Wer ist euer 'Zauberer aus Galiläa', ihr elenden Wichte?!« Schreit der Haufe: »Jener Zimmermann aus Nazareth namens Jesus ist es, den wir gar wohl kennen, sowie seine Mutter, die auch hier nun ist, und seine Brüder und Schwestern, die auch hier sind! Wir kannten auch seinen Vater, der vor einem Jahre gestorben sein soll, und wie wir hörten, aus Gram, weil ihm sein Weib und seine Kinder nicht folgen wollten und ihn betrogen haben sollen nach allen Seiten!«

05] Hier wird Joram ganz toll vor Zorn über solch eine schmählichste Verunglimpfung. Er tritt sogleich hastig vor Mich hin, auch Jakobus und Johannes treten hinzu und sagen mit Joram: »Herr, Herr, Herr! So laß doch nun schnell Feuer vom Himmel unter diese Kerle fallen, dass sie verzehrt werden! Das ist ja doch himmelschreiend, was für allerfrechste Lügen sich diese getrauen vor uns auszusprechen!«

06] Sage Ich: »Ei denn, ihr Kinder des Donners, lasst sie lügen! Gibt es ein Feuer, das ärger brennte denn das der Lüge?! Tut ihnen dafür noch Gutes hinzu, und sie werden mit glühenden Kohlen auf ihren Häuptern davonrennen! - Merkt euch das! Nie vergeltet Schlechtes mit Schlechtem und Böses mit Bösem!« Darauf ermahnen sich die drei, und Joram fragt, was er diesen Frevlern denn nun tun solle.

07] Ich sage: »Tue ihnen, was sie verlangen, in Meinem Namen und heiße sie dann abziehen!« Und Joram spricht darauf zu dem Haufen: »Im Namen des Herrn! So rede denn nun ein jeder, der unter euch stumm ist, und gehe dann seines Weges nach Hause und gebe Gott die Ehre!«

08] Auf dies Wort Jorams wird allen die Zunge gelöst, die stumm waren; aber sie gaben Gott die Ehre nicht bis auf einen, der die andern wenigstens ermahnte. Als aber diese darauf sagten: »Du Tor, hat uns denn Jehova stumm gemacht?! Ein Zauberkundiger hat uns diesen Schaden zugefügt, und wir sollen darob etwa dem heidnischen Zaubergotte Ehre antun?! So wir das täten, was hätten wir dann von dem allmächtigen wahren Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu gewärtigen?!« Da ging auch der eine, etwas Bessere mit den andern neun davon und getraute sich nicht, Mir zu geben die gebührende Ehre.

09] Joram und alle die Meinen ärgerten sich darob, und Simon Petrus trat zu Mir eben auch voll Ärgers und sprach: »Herr, es ist wohl gut also, wie es Dir wohlgefällig ist; aber so ich nur einen Funken Deiner geistigen Kraft und Macht hätte, da wüßte ich, was ich diesen dummen und bösen Lästerern Deines mir so überheiligen Namens zugefügt hätte!«

10] Sage Ich: »Simon, hast du denn Meine Lehre, die Ich am Berge gab, schon vergessen? a Was wohl kannst du damit Gutes bewirken, so du b Böses mit Bösem vergeltest?! Wenn du eine Speise kochst, die in sich selbst unschmackhaft ist, wirst du wohl weise handeln, so du darob, weil die gekochte Speise an und für sich unschmackhaft ist, statt sie mit gutem Salze, Milch und Honig wohlschmeckend zu machen, dieselbe Speise mit Galle und Aloesaft begießen wirst?! Wenn du zu einer schon ohnehin guten Speise noch etwas Besseres hinzutust, so wird dich darob sicher niemand einer Torheit zeihen; aber so du die schlechte Speise durch noch schlechtere Zugaben schlechter machen willst, als sie ohnehin vom Grunde aus ist, sage, wo ist da ein Mensch von einiger Einsicht, der nicht alsbald zu dir sagen wird: 'Siehe da, was tut da dieser Tor?!' (jl.ev01.074,10-16: a Matthäus.05,44; 2. Mose.23,04-05; = Lukas.06,27; Römer.12,14; Römer.12,20; b = Lukas.06,28; Lukas.23,34; Apostelgeschichte.07,60; jl.ev01.074,10-16*; jl.ev01.075,11-12; jl.ev02.159,08; jl.ev07.225,16-229,21; jl.ev06.227,17; jl.ev09.039,12; jl.ev10.162,13-14)

11] Siehe, also ist es um so mehr unter den Menschen! So du ihr Böses mit noch mehr Bösem vergeltest, frage dich selbst, ob dadurch je ihr Böses besser wird! a Vergiltst du aber das dir angtane Böse mit Gutem, so wirst du dadurch das Böse in deinem Bruder sänften und aus ihm am Ende einen guten Bruder ziehen! (a Römer.12,17; 1. Thessalonicher.05,15; 1. Petrus.03,09; 2. Korinther.08,21)

12] Wenn ein Herr einen Knecht hat, dem er vieles anvertraut, der Knecht aber, da er die Güte seines Herrn kennt, sich an seinem Herrn versündigt und sonach eine Züchtigung verdient, - so der Herr den Knecht ruft und ihm vorhält seine Untreue und der Knecht wird dagegen erbost und begegnet seinem Herrn mit schmählicher Gegenrede, wird dadurch der Herr besser und sanfter gegen seinen Knecht werden? Nein, sage Ich; da wird des Knechtes Herr erst (recht) zornig über den treulosen Knecht, wird ihn lassen binden und werfen ins Gefängnis!

13] So aber der Knecht, da er sieht, dass ihm sein Herr für die Untreue Übles tun will, vor seinem Herrn niederfällt, demselben sein Vergehen reumütig bekennt und ihn voll Sanftmut und Liebe um Vergebung seiner Schuld bittet, wird darauf der Herr dem Knechte auch tun wie zuvor?! Nein, sage Ich! Durch die reuige Sanftmut des Knechtes wird der Herr selbst sanft und nachgiebig und wird dem Knechte nicht nur alles vergeben, sondern ihm noch obendrauf Gutes tun.

14] Darum also a vergeltet nie Böses mit Bösem, so ihr alle gut werden wollt! So ihr aber die b richten und strafen werdet, die sich an euch versündigten, da werdet ihr am Ende alle böse, und wird in keinem mehr sein eine rechte Liebe und irgend etwas Gutes! (a Römer.12,17; 1. Thessalonicher.05,15; 1. Petrus.03,09; b Matthäus.07,01; = Lukas.06,37; Römer.02,01; 1. Korinther.04,05; jl.ev01.043,07-08; jl.ev01.074,14-16; jl.ev02.051,07 ff.; jl.ev11.308; jl.ev09.039,11; jl.erde.007,12; jl.rbl2.232,11)

15] Der Mächtige wird sich ein Recht nehmen, die zu strafen, die sich gegen seine Gesetze versündigen; die Sünder aber werden dagegen in Rache erglühen und werden suchen, den Mächtigen zu verderben. Frage: Was für Gutes wohl wird am Ende daraus hervorgehen?!

16] Darum a richtet und verdammt niemanden, auf dass ihr nicht wieder gerichtet und verdammt werdet! Habt ihr alle diese allerwichtigste Lehre begriffen, ohne die Mein Reich nie in euch Platz fassen kann?« (a Lukas.06,37)



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