Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


285. Kapitel: Des Dorfrichters falsches Urteil über Jesu. Josephs mannhafte Entgegnung. Die falschen Zeugen. Joseph gibt Jesu einen Verweis. Des ewigen Richters Urteil. Josephs Mißgriff und des Kindleins Rüge. (22.08.1844)

01] Als aber Joseph am nächsten Tage wieder mit seinen vier Söhnen ins Dorf zur Arbeit kam und das Kindlein mit ihm,

02] da kam ein Dorfrichter zu ihm und sprach:

03] »Höre, du Zimmermann! Das ist nicht löblich, daß du dein Knäblein immer mitziehest;

04] denn fürs erste hat es eine giftige Ausdünstung, und die Kinder, die es anrührt, werden fürs zweite bald krank,

05] oder sie sterben bald, oder sie werden bald blind oder taub!«

06] Als Joseph solche Lüge vernahm, da legte er die Axt beiseite und sprach zum Richter:

07] »Bringe her die Zeugen, die solches Übel erlitten durch meinen höchst unschuldigsten Knaben Jesus,

08] und ich will mit ihnen in den Tempel ziehen und mit ihnen die Sache vor dem Hohenpriester Gottes abmachen!«

09] Es war aber dieser Richter bestochen von dem Vater des verdorrten Knaben

10] und suchte daher ein Mittel, den Knaben Josephs soviel als nur möglich zu verdächtigen.

11] Der Richter aber ging auf diese Rede Josephs hinweg und brachte in kurzer Zeit eine Menge ganz entsetzlich bresthafter Kinder im Dorfe zusammen und führte sie hin zu Joseph.

12] Und als er hier ankam, da sprach er zu ihm: »Da sieh einmal her! Das verdanken wir alles deinem giftigen Kinde!

13] Siehe, diese Kinder haben öfter dein Kind besucht und haben mit ihm gespielt;

14] und siehe, das sind die herrlichen Früchte davon! Verschone daher unser Dorf, und behalte gleichwohl deine Pest zu Hause!«

15] Als Joseph solches vom Richter vernommen hatte, da ward er ärgerlich, nahm das Kindlein beiseite, redete Ihm wie ins Gewissen und sprach:

16] »Wozu doch verübst Du solche Dinge? Siehe, diese leiden ja darunter und hassen und verfolgen uns darum!«

17] Das Kindlein aber sprach dagegen zu Joseph: »Die Worte, die du jetzt geredet hast, sind nicht aus Mir, sondern aus dir;

18] denn du hast nun geredet die Worte des Richters, der ein Lügner ist, und nicht Meine Worte, die ewig wahr sind!

19] Ich aber will dennoch schweigen dir gegenüber und will dir keine Rüge geben ob deiner Leihrede;

20] aber dieser bestochene Richter mag solcher seiner Anklage wegen seine gerechte Züchtigung hinnehmen!«

21] Und alsbald war der Richter stockblind. Alle aber, die mit dem Richter waren, entsetzten sich gar gewaltigst ob solcher Tat.

22] Mehrere darunter wurden völlig verwirrt und schrien:

23] »Lasst uns nur eiligst von dannen fliehen! Denn ein jedes Wort aus dem Munde dieses Kindes ist eine vollbrachte Tat!«

24] Da aber nun Joseph auch sah, daß der Richter blind war und ihm darob sicher viele Plackereien machen werde,

25] da ereiferte er sich selbst über das Kindlein, nahm Es ein wenig beim Ohrläppchen und zupfte Es, um Es dadurch zu züchtigen, der Menschen willen.

26] Das Kindlein aber ward dadurch erregt und sprach ganz ernstlich zu Joseph:

27] »Es sei dir genug, daß sie suchen und dennoch nicht finden, das sie suchen!

28] Du aber hast diesmal nicht weise gehandelt! - Weißt du denn nicht, daß Ich Dein bin?!

29] Warum aber willst du Mich betrüben, da Ich dein bin? O betrübe Mich hinfort nicht mehr, da Ich dein bin!«

30] Joseph aber ersah bald seinen Fehler, nahm das Kindlein und herzte Es.- Alle Umstehenden aber verliefen sich bald aus übergroßer Furcht vor dem Kinde.



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