Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


6. Kapitel: Umstände der Ankunft Marias bei Elisabeth (Lukas.01,40) (03.08.1843)


Inhaltsübersicht:

  • Warum Elisabeth auf Marias schüchternes Türklopfen nicht reagierte [jl.kjug.006,01-06];
  • Freudige Reaktion des Kindes in Elisabeths Leib auf zweites Klopfen Marias; seine Aufforderung zum Türöffnen für die Mutter des gemeinsamen Gottes [jl.kjug.006,07a-08];
  • Elisabeths Begrüßung Marias und Lobpreis ihrer göttlichen Leibesfrucht und Sonderstellung unter den Frauen [jl.kjug.006,09-12];
  • Maria realisiert nun erst ihre Schwangerschaft [jl.kjug.006,13-15];
  • Marias Erstaunen, Bescheidenheit und Demut anlässlich ihrer Seligpreisung [jl.kjug.006,16-17];
  • Marias Weigerung aus Demut, über ihre Erfahrungen als Tempelzögling zu berichten [jl.kjug.006,18-31];
  • 3 monatiger Aufenhalt Marias bei Elisabeth; ihre Hilfe bei der Hausarbeit [jl.kjug.006,32];
  • Josef lebte auf gemietetem Grund [jl.kjug.006,33];
  • Marias Rückkehr in Begleitung von 3 Leviten, als sich Josephs ältester Sohn Joel auf den Weg zu ihr machen sollte [jl.kjug.006,34-38];
  • Marias kindlich-liebevolle Begrüßung ihres alten, armen Nährvaters Joseph; dessen große Freude an ihr [jl.kjug.006,39-45];
  • Joseph hört Psalmengesang vor seinem Haus [jl.kjug.006,46]



  • Lukas.01,40] und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.

01] a Bei der Elisabeth angelangt, d.h. bei ihrem Hause, pochte sie gar bald schüchternen Gemütes an die Türe nach dem Gebrauche der Juden. (a =Lukas.01,40*)

02] Als aber Elisabeth vernommen hatte das schüchterne Pochen, gedachte sie bei sich: »Wer pocht denn da so ungewöhnlich leise?

03] Es wird ein Kind meines Nachbars sein; denn mein Mann, der da stumm noch ist im Tempel und harrt der Erlösung, kann es nicht sein!

04] Meine Arbeit aber ist wichtig; solle ich sie wohl weglegen des unartigen Kindes meines Nachbars wegen?

05] Nein, das will ich nicht tun, denn es ist eine Arbeit für den Tempel, und diese steht höher denn die Unart eines Kindes, das da sicher wieder nichts anderes will, als mich bekanntermaßen necken und ausspötteln!

06] Daher werde ich fein bei der Arbeit sitzen bleiben und das Kind lange gut pochen lassen!«

Lukas.01,41-45] Reaktion des Johannes im Mutterleib auf Ankunft der schwangeren Maria

  • Lukas.01,41a] Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe.

07a] Maria aber pochte noch einmal, und a das Kind im Leibe der Elisabeth fing an vor Freude zu hüpfen, (a Lukas.01,41a*)

  • Lukas.01,41b] Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt

07b] und die Mutter vernahm a eine leise Stimme aus der Gegend des in ihr hüpfenden Kindes, und die Stimme lautete: (a =Lukas.01,41b*)

08] »Mutter, gehe, gehe eiligst; denn die Mutter meines und deines Herrn, meines und deines Gottes ist es, die da pocht an die Türe und besucht dich im Frieden!«

09] Elisabeth aber, als sie das gehört hatte, warf sogleich alles von sich, was sie in den Händen hatte, und lief und öffnete der Maria die Türe,

10] gab ihr dann nach der Sitte sogleich ihren Segen, umfing sie dann mit offenen Armen und sagte zu ihr:

  • Lukas.01,42] und rief laut und sprach: »Gebenedeit bist du unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes!«

11] »O Maria, du Gebenedeite unter den Weibern! a Du bist gebenedeit unter allen Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes!« (a Lukas.01,42*)

  • Lukas.01,43] »Und woher kommt mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?«

12] »O Maria, du reinste Jungfrau Gottes! Woher kommt wohl mir die hohe Gnade, daß mich die Mutter meines Herrn, meines Gottes, besucht?!«

13] Maria aber, die nichts von all den Geheimnissen verstand, sagte zur Elisabeth:

14] »Ach, liebe Muhme, ich kam ja nur auf einen freundlichen Besuch zu dir! Was sprichst du denn da für Dinge über mich, die ich nicht verstehe? - Bin ich denn schon im Ernste schwanger, daß du mich eine Mutter nennst?«

  • Lukas.01,44] »Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.«

15] Elisabeth aber erwiderte der Maria: »Siehe, als du zum zweiten Male pochtest an die Türe, da hüpfte alsbald das Kindlein, das ich unter meinem Herzen trage, vor Freude und gab mir solches kund und grüßte dich in mir schon zum voraus!«

  • Lukas.01,45] »Und a selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.« (a Lukas.11,27-28*)

Lukas.01,46-55] Lobpreis Marias

16] Da blickte Maria auf zum Himmel und gedachte, was der Erzengel Gabriel zu ihr geredet hatte, obwohl sie von all dem noch nichts verstand, und sprach:

[Anm. des Hrsg.: Das nachfolgende 'Magnifikat' wird als Lobpreis Marias in Lorbers Offenbarungen nicht erwähnt. Das 'Magnificat' dürfte wohl eine nachträgliche biblische Einschiebung sein.]

  • Lukas.01,46] a Und Maria sprach: »Meine Seele erhebt den Herrn, (a 46-55: 1. Samuel.02,01-10*)
  • Lukas.01,47] und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;
  • Lukas.01,48] denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden a mich selig preisen alle Kindeskinder. (a jl.kjug.006,17*)
  • Lukas.01,49] Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
  • Lukas.01,50] Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.a (a Psalm.103,13 .17*)
  • Lukas.01,51] Er übt Gewalt mit seinem Arm und a zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. (a1. Mose.11,08*)
  • Lukas.01,52] Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. a (a Psalm.147,06*)
  • Lukas.01,53] Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer ausgehen. a (a Psalm.034,11; Psalm.107,09*)
  • Lukas.01,54] Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
  • Lukas.01,55] wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinem Samen für ewig.« a (a1. Mose.17,07 .18,18*)

17] »O du großer Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, was hast Du wohl aus mir gemacht? Was bin ich denn, daß a mich alle Geschlechter der Erde selig preisen sollen?« (a Lukas.01,48*)

Lukas.01,56] Dreimonatiger Aufenthalt Marias bei Elisabeth; Marias Haltung zum Tempel; Beispiel ihrer Demut und Weisheit

  • Lukas.01,56] Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.

18] Elisabeth aber sprach: »O Maria, du Erwählte Gottes, tritt in mein Haus und stärke dich; da wollen wir uns besprechen und gemeinschaftlich Gott loben und preisen aus allen unseren Kräften!«

19] Und die Maria folgte alsbald der Elisabeth in ihr Haus und aß und trank und stärkte sich und ward voll heiteren Mutes.

20] Elisabeth aber fragte die Maria um vieles, was alles sie im Tempel während ihres Dortseins als Zuchtkind des Herrn erfahren habe, und wie ihr alles das vorgekommen sei.

21] Maria aber sagte: »Teure, vom Herrn auch gar wohl gesegnete Muhme! Ich meine, diese Dinge stehen für uns zu hoch, und wir Weiber tun unklug, so wir uns über Dinge beraten, darüber der Herr die Söhne Aarons gesetzt hat.

22] Daher bin ich der Meinung, wir Weiber sollen die göttlichen Dinge Gott überlassen und denen, die Er darübergestellt hat, und sollen nicht darüber grübeln.

23] So wir nur Gott lieben über alles und Seine heiligen Gebote halten, da leben wir ganz unserm Stande gemäß; was darüber ist, gebührt den Männern, die der Herr beruft und erwählt.

24] Ich meine, liebe Muhme, das ist recht; darum erlasse mir die Ausschwätzerei aus dem Tempel, - denn er wird darum nicht besser und nicht schlechter! Wenn es aber dem Herrn recht sein wird, dann wird Er schon den Tempel züchtigen und umstalten zur rechten Zeit.«

25] Elisabeth aber erkannte in diesen Worten die tiefe Demut und Bescheidenheit Mariens und sagte zu ihr:

26] »Ja, du gnadenerfüllte Jungfrau Gottes! Mit solchen Gesinnungen muß man ja auch die höchste Gnade vor Gott finden!

27] Denn also, wie du sprichst, kann nur die höchst reinste Unschuld sprechen; und wer darnach lebt, der lebt sicher gerecht vor Gott und aller Welt!«

28] Maria aber sagte: »Das gerechte Leben ist nicht unser, sondern des Herrn, und ist eine Gnade!

29] Wer da aus sich gerecht zu leben glaubt, der lebt vor Gott sicher am wenigsten gerecht; wer aber stets seine Schuld vor Gott bekennt, der ist es, der da gerecht lebt vor Gott!

30] Ich aber weiß nicht, wie ich lebe, - mein Leben ist eine pure Gnade des Herrn; daher kann ich auch nichts anderes tun, als Ihn allezeit lieben, loben und preisen aus allen meinen Kräften! Ist dein Leben wie das meinige, da tue desgleichen, und der Herr wird daran mehr Wohlgefallen haben, als so wir möchten noch soviel über die Verhältnisse des Tempels miteinander verplaudern!«

31] Elisabeth aber erkannte gar wohl, daß aus der Maria ein göttlicher Geist wehe, stellte daher ihre Tempelfragen ein und ergab sich, Gott lobend und preisend, in Seinen Willen. -

32] Also verbrachte aber Maria noch a volle drei Monate bei der Elisabeth und half ihr wie eine Magd alle Hausarbeit verrichten. (a Lukas.01,56*)

 

Marias Rückkehr; Reaktion Josephs

33] Mittlerweile hatte aber auch unser Joseph seinen Bau beendet und befand sich mit seinen Söhnen wieder zu Hause und besorgte da seinen kleinen, freilich nur gemieteten Grund.

34] Eines Abends aber sagte er zum ältesten Sohne: »Joël, gehe und rüste mir für morgen früh mein Lasttier, denn ich muß Maria holen gehen!

35] Das Mädchen ist nun schon bei drei Monaten aus meinem Hause, und ich weiß nicht, was da mit ihr geschieht.

36] Ist sie auch beim Weibe des a stumm gewordenen Hohepriesters, so kann man aber doch nicht wissen, ob dieses Haus von allen Versuchen (Versuchungen) dessen, der Eva verlockt hat, frei ist! (a Lukas.01,22*)

37] Also will ich denn morgen hinziehen und mir das Mädel wieder holen, auf daß mir nicht etwa mit der Zeit Israels Söhne übel nachreden sollen und der Herr mich züchtige ob meiner Sorglauheit des Mädchens willen.«

38] Und Joël ging und tat nach den Worten des Joseph; aber der Joël war kaum fertig mit seiner Arbeit, so stand auch schon Maria vor der Hausflur und grüßte den Joseph und bat ihn um die Wiederaufnahme in sein Haus.

39] Joseph, ganz überrascht von dieser Erscheinung Mariens, fragte sie sogleich: »Bist du es wohl, du Ungetreue meines Hauses?«

40] Und Maria sprach: »Ja, ich bin es, - aber nicht ungetreu deinem Hause; - denn ich wäre schon lange wieder gerne dagewesen, aber ich habe es mir nicht getraut, allein über das waldige Gebirge zu ziehen, - und du sandtest auch keinen Boten um mich! Also mußte ich ja wohl so lange ausbleiben!

41] Nun aber besuchten drei Leviten das Weib des Zacharias, und da sie wieder heimkehrten nach Jerusalem, so nahmen sie mich mit, brachten mich an die Grenze deines Grundes, segneten mich dann und dein Haus und zogen dann ihres Weges weiter, und ich eilte hierher zu dir wieder, mein lieber Vater Joseph!«

42] Obschon der Joseph die Maria gerne ein wenig ausgezankt hätte ob ihres langen Ausbleibens, so konnte er aber solches doch nicht über sein Herz bringen; denn fürs erste hatte die Stimme Mariens sein edelstes Herz zu sehr gerührt, und fürs zweite sah er sich selbst als Schuldigen an, da er Maria so lange nicht durch einen Boten hatte holen lassen.

43] Er ließ daher das Mädchen zu sich kommen, um es zu segnen, und das Mädchen sprang zu Joseph hin und koste ihn, wie da die unschuldigsten Kinder ihre Eltern und sonstigen Wohltäter zu kosen pflegen.

44] Joseph aber ward darüber ganz gerührt und ward voll hoher Freude und sprach: »Siehe, ich bin ein armer Mann und bin schon bejahrt; aber deine kindliche Liebe macht mir vergessen meine Armut und mein Alter! Der Herr hat dich mir gegeben zu einer großen Freude; darum will ich ja auch ziehen und arbeiten mit Freuden, um dir, mein Kindlein, ein gutes Stückchen Brot zu verschaffen!«

45] Bei diesen Worten fielen dem alten Manne Tränen aus seinen Augen. Maria aber trocknete behende seine feuchten Wangen und dankte Gott, daß Er ihr einen so guten Nährvater gegeben hatte.

46] In der Zeit aber vernahm Joseph plötzlich, als würden Psalmen gesungen vor seinem Hause.



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