Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 2


02] Aber hört! Einen, der unter euch war, den hättet ihr wohl auch noch laden sollen, ob er käme oder nicht käme. Es ist zwar einerlei, ob er da ist oder nicht; denn das geht auf seine Rechnung - aber ihr wollt ihn auslassen, das ist wieder eure Rechnung. Und es wird ihn schwer kränken, so er es erfahren wird, entweder hier oder dort. - Er benimmt sich wohl so, daß es den Anschein hat, als würdet ihr von ihm gewisserart außer acht gesetzt sein samt Mir. Allein dem ist nicht völlig also.

03] Er selbst beschuldigt sich, an euch gesündigt zu haben, und hat den Mut nicht, euch zu gestehen, was ihn drückt. Darum kostet es ihn auch allezeit eine kleine Überwindung, zu euch zu kommen. Denn dieser euer Bruder hat ein wohlgeziertes Herz, in dem aber nur ein schwacher Geist wohnt; daher der Mann auch mehr Kraft in seiner Seele als in seinem Geiste besitzt. - Darum aber müsst ihr auch die rechte Nachsicht, Geduld und Liebe mit ihm haben, wollt ihr wahre Wandler auf Meinen Wegen sein.

04] Denn seht, Menschen gezierten Herzens, starker Seele, aber schwachen Geistes sind sehr empfindlich und merken oft bei ihren Freunden die kleinsten Gemütsdifferenzen, die ihnen sehr weh tun, weil ihre Seele in ihrer oft ganz isolierten Selbstkraft überaus empfindsam ist.

05] So aber jemand dieser Empfindsamkeit Nahrung gibt, der sündigt an seinem Bruder! Denn so schon jemand sieht die Schwäche des Bruders, tut aber vor ihm, als wäre dieser ein starker Geist, und der schwache Bruder ärgert sich darob, so ist solch eine Tat eine Sünde, und wäre sie noch so gerecht in den Augen eines starken Geistes. Denn der Geist kann nicht geärgert werden, aber die Seele kann Schaden nehmen durch Ärgernisse. Darum sind diese aus höchst weisen Gründen zu vermeiden.

06] Liebe und Geduld sind aber endlos mehr wert als alle Weisheit und alle Gerechtigkeit! Darum haltet euch stets an die Liebe und an ihre Schwester, die Geduld, so wird euch die Sünde zur Unmöglichkeit werden.

07] Nach der Gerechtigkeit wäre es auch wohl recht gewesen, so Ich nach Meinem eigenen, durch Moses gegebenen Gesetze hätte die Ehebrecherin zu Tode steinigen lassen. Denn also lautete ja das offene Gesetz, daß da jede Ehebrecherin solle zu Tode gesteinigt werden. Aber da trat an die Stelle der harten Gerechtigkeit Meine Liebe, Geduld und Erbarmung. Und diese ließen die große Sünderin nicht nur nicht steinigen und töten, sondern schrieben ihre Schuld samt dem harten Gerechtigkeitsgesetze für alle Zeiten des irdischen Lebens in Sand und übertragen das einstige Gericht der Liebe eines jeden zu sich und über sich, auf daß sich ein jeder selbst finde und richte nach seiner Liebe für ewig.



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