Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 111. Kapitel: Asmahael bringt Mathusalah und Lamech zur Gesellschaft.

01] Und also staunten auch alle anderen und wußten sich nicht zu raten und zu helfen. Als aber der Adam sah die beiden Nachkommen Henochs, vom Asmahael geleitet, zur Gesellschaft kommen, fragte er den Henoch:

02] »Wer hieß denn die zwei daher kommen, da ich nicht wollte, daß sie mit uns gehen sollen, dieweil der eine ist zu lau und der andere zu windig und kennt keinen Ernst?«

03] Henoch aber antwortete: »Siehe, Vater Adam, das eine tat die Vaterliebe Jareds an meiner Stelle, und die Hauptsache aber Der, der, in ihrer Mitte wandelnd, sie gen uns geleitet!

04] So du Ihn aber kennst, wie magst du fragen, was es sei, das der Herr tut?!

05] O freue dich mit mir darum, daß der große Gott - - solche große Freude hat an dem, was niedrig ist vor der Welt, und wohlgefällig ansieht das Kleine und also behende zu Hilfe eilt dem, was schwach ist vor unseren Augen!

06] O gelobt sei darum ewig unser großer, überheiliger Gott und Vater! Amen!«

07] Adam aber wurde zu Tränen gerührt und dankte, lobte und pries Mich in der Tiefe seines nun sehr gesänfteten Herzens.

08] Asmahael aber brachte unterdessen seine Schützlinge zu den Vätern und begann folgende Worte an alle zu richten, sagend:

09] »Höret ihr alle, die ihr hier zugegen seid körperlich und geistig und in der Liebe und im Glauben, und ganz besonders aber höret es ihr, die ihr da Unterschiede macht zwischen diesen und jenen und sagt: ,Das ist mir ein Liebling; denn er gehorcht allzeit meinem Herzen. Sein Leben ist wahrhaft aus mir, da es vollkommen sich verhält zu meinem Willen!' Aber wieder sagt ihr: ,Dieses Kind oder diesen Menschen mag und kann ich nicht lieben, da es oder er sich nicht gemacht hat nach dem Verlangen meines Herzens und mein Wille ihm wie fremd ist und er nicht achtet vollkommen auf das, was mir wohlgefällt! Will ich Ruhe, da springt er; will ich wandern, da läuft er mir über den Pfad; so er aber reden sollte, da schweigt er, und wo er schweigen sollte, da redet er; wenn er aber wandeln soll, da legt er sich nieder; und wo er wachen sollte, da schläft er ein und bringt dann aus seinen Träumen lauter Faseleien zum Vorschein!' Und also nach diesem Maßstabe richtet ihr diejenigen, die euch nicht zu Gesichte stehen, und verbannet sie darum aus eurem Herzen, dieweil sie nicht entsprechen eurer Eigenliebe. Sehet, doch, wie ungerecht eure Urteile sind!

10] So aber Gott einen Menschen werden ließ, ließ Er ihn werden zum Fluche oder zum Segen?

11] Hat Gott je einen Unterschied! zwischen Menschen und Menschen außer dem natürlich geschlechtlichen geoffenbart? Oder hat Er euch je darüber irgendein Gebot verkündigen lassen, wodurch besagt worden wäre: Die Kinder und Menschen, die sich nicht also gestalten, wie es eurer Eigenliebe zusagt, müsset ihr verachten und nur diejenigen lieben und achten, denen; kein anderer Wille denn nur der eures Herzens eigen ist?

12] O sehet, da ihr also tut und habt doch kein Gebot dafür, wie möget ihr denn fluchen der Sklaverei in der Tiefe, die da ist eine Unordnung der Nacht, entstanden aus euch, und macht aber zu Sklaven eure eigenen Kinder?!

13] »Bin Ich, also spricht der Herr denn nicht auch ein Vater eurer Kinder, so gut wie Ich der eurige bin?!

14] Habe Ich demnach denn gar kein eigen Recht, auch den Kindern einen eigenen freien Willen zu geben?! Und habe Ich solches getan, worüber ihr euch ärgert, bin Ich schuldig, euch etwa gar noch Rechenschaft ablegen zu müssen?!

15] So ihr Alten aber schon euern Kindern keine Rechnung eures Willens ableget, wie möget ihr solches in der Tat verlangen von Mir, der Ich euch doch alle mit gleicher Liebe umfasse, nicht aber also wie ihr einen mehr und den andern weniger oder auch wohl gar nicht?!

16] Zeigt Mir eine Stelle der Erde auf ihrer Fläche, wohin noch nie ein Tropfen des Regens oder ein Sonnenstrahl gefallen wäre, und wo ein Tropfen weniger feucht gewesen wäre denn ein anderer!

17] Wahrlich aber sage Ich euch: Es gibt keine härtere Knechtschaft als die des steifen Eigenwillens, wobei auf nichts als auf die Eigenliebe Rücksicht genommen wird, wobei alle also sein sollen, daß sie fröneten dem Willen eines einzigen!

18] So aber der heilige, ewige, allerweiseste, liebevollste Vater jedem gegeben hat einen eigenen, freien Willen wie ein eigenes Herz, ist es demnach nicht unbillig, so der Alte nicht und nimmer ansehen will die freie Lebenstätigkeit seines erwachsenen Sohnes?!

19] Ich sage aber, obschon es dem Sohne besser ist, sein Leben lang zu gehorchen seinem Vater und demselben niemals in etwas zu widerstreben, so aber ist es doch dem Vater überaus angemessener, dem Sohne von der Geburt an eine solche Richtung zu geben, durch welche er fürder selbsttätig frei zu handeln vermag und als freier Mensch dann aus eigenem Liebestriebe zurückkehrt zum Vater und zu ihm sagt:

20] O Vater, siehe, dein Sohn ist gekommen und möchte dich tragen auf seinen Händen!

21] Saget, ist solches nicht mehr wert, denn so ihr sagen müsset zu euern Kindern: ,Komme her und führe mich!', und der Sohn kommt alsdann und tut deinen Willen, hätte sich aber nicht zu kommen getraut, so du ihn nicht geheißen hättest?!

22] O seeht, wie sehr ihr euch noch unterscheidet, und wie wenig ihr noch Dem ähnlich seid, der euch zu Seinen ewigen Kindern machen möchte!

23] Sehet die Blätter dieses großen Baumes an, die euch nun allesamt schützen vor den spitzen Strahlen der Sonne, und beratet es in euch, welches Blatt das andere an Wert überbietet!

24] Ihr werdet sagen: ,Ob zuunterst oder zuoberst, das entscheidet nichts; so aber die Blätter wären eine wohlschmeckende Speise, da wären die größeren mehr wert denn die kleinen!

25] Also habt ihr geschätzt; aber was in euch war der Schätzmeister? Könnt ihr es anders berichten, als daß ihr von euch selbst treu gesteht und sagt: ,Unsere viel genießen wollende Eigenliebe, ohne auch nur im geringsten auf den Schöpfer Rücksicht zu nehmen, ob Dieser vielleicht in die kleinsten Blätter nicht eine noch größere Bestimmung gelegt hat als in die eurem Bauche mehr zusagenden großen?!

26] So ihr aber eine Leiter machet, warum macht ihr da die unteren Sprossen stärker denn die oberen?

27] Ich sage euch aber - was euch schon bekannt ist -, daß die unteren Sprossen darum nicht zweckdienlicher sind denn die oberen, obschon diese schwächer sind denn die untersten und von diesen nach oben weit entfernt sind; so ihr aber dann eure Leiter an den Baum lehnet, berühren da nicht gerade die schwächsten die Frucht?!

28] O wahrlich, Ich sage euch: Also werde auch Ich Mir eine Leiter bauen aus Menschen, und zwar eine Leiter, die Ich aufstellen werde zum Baume des Lebens, der da reicht bis in den Himmel alles Lebens vom Grunde der Erde aus! Glücklich werden die Sprossen sein, die Ich zuoberst nehmen werde; denn die nur werden das Leben erreichen, während die starken warten werden unter aller Last, was da des Lebens hinabgeworfen wird in die Tiefe!

29] Verstehet es wohl und richtet darum eure Kinder nimmer nach eurer Eigenliebe, sondern nach der göttlichen Freiheit und Liebe! Amen.«


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