Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 79. Kapitel: Das 6. Gebot im sechsten Saal - Was ist Unkeuschheit?

(Am 29. Sept. 1843 von Nachm, 4 1/4 - 6 Uhr.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Hier erblicken wir wieder eine Tafel in der Mitte des Saales, und auf der Tafel steht mit deutlich leserlicher Schrift geschrieben: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben, nicht ehebrechen." - Unverkennbar ist dieß das sechste Gebot, welches der Herr durch Moses dem israelitischen Volke gegeben hatte. Dieses Gebot ist sicher in seiner Grundbedingung eines der schwierigsten zu erfassen und es dann auch genau im Lebensgrunde zu beobachten.


02] Was wird denn eigentlich durch dieses Gebot verboten? Und wen geht dieses Gebot überhaupt an, den Geist, die Seele, oder den Leib? - Wer soll da aus diesen drei Lebenspotenzen nicht Unkeuschheit treiben? - Das wäre eine Frage; was aber ist so ganz eigentlich die Unkeuschheit, und was der Ehebruch? Ist die Unkeuschhcit der gegenseitige Begattungsact? Wenn das der Fall ist, so ist auf jede Zeugung durch dieses Gebot Beschlag gelegt; denn wir finden in dem einfachen Gebote durchaus keine bedingnißweise Ausnahme gestellt; es heißt einmal: „Du sollst nicht Unkeuschbeit treiben."

03] Wenn also der Act der Begattung gewisserart als der Kulminationspunkt der Unkeuschheit angesehen wird, so möchte ich selbst Denjenigen kennen, der unter der gegenwärtigen Gestalt der Dinge auf der Erde eine Zeugung ohne diesen verbotenen Act bewerkstelligen möchte. Ob jetzt in der Ehe oder nicht in der Ehe; der Act ist derselbe. Ob er wirklich in kinderzeuglicher Absicht begangen wird oder nicht; er ist derselbe. Zudem hat das Gebot selbst keine Bedingung in sich, durch welche eine geregelte Ehe von der Unkeuschheit ausgenommen wäre.

04] Andererseits betrachtet aber muß doch jedem Menschen einleuchtend sein, daß es dem Herrn an der Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes vorzugsweise gelegen ist, und an einer weisen Erziehung desselben. - Auf welchem Wege aber sollte sich das Menschengeschlecht fortpflanzen, wenn ihm der Zeugungsact bei Strafe des ewigen Todes verboten ist? - Ich meine, das kann ein jeder Mensch mit den Händen greifen, daß es hier offenbar einen Haken hat.

05] Dazu aber muß noch ein Jeder sich nothgedrungen selbst das Zeugniß geben, daß sicher bei keinem zu haltenden Gebote die Natur dem Menschen allgemein so mächtige Prügel unter die Füße wirft, über die er stolpern muß, als eben bei diesem. - Ein jeder Mensch, wenn seine Erziehung einiger Maßen geordnet war, findet gar keinen Anstand, oder höchstens einen sehr geringen nur, in der Haltung der übrigen Gebote; aber bei diesem Gebote macht die Natur allzeit einen kräftigen Strich selbst durch die Rechnung eines Apostels Paulus!

06] Offenbar sehen wir eine Interdiction der fleischlichen Lust, welche mit dem Zeugungsacte unzertrennlich verbunden ist; liegt also das Verbot nur an der fleischlichen Lust und nicht zugleich auch an dem Zeugungsacte, so fragt es sich ob von dem ordnungsmäßigen Zeugungsacte die fleischliche Lust zu trennen ist? - Wer aus euch kann Solches erweisen und behaupten, die beiden gesetzlich geordneten Ehegatten empfinden beim Zeugungsacte nicht auch die zeitliche Lust? Oder wo ist dasjenige Gattenpaar, das da nicht wenigstens zur Hälfte wäre durch die bevorstehende fleischliche Lust zum Zeugungsacte aufgefordert worden?

07] Wir sehen aber nun daraus, daß wir mit diesem Gebote hinsichtlich der Unkeuschheit in Anwendung auf den leiblichen Zeugungsact durchaus nicht aufkommen können; - denn entweder muß es einen reinen Zeugungsact geben, der mit der Fleischeslust nichts zu thun hat, oder, wenn sich ein solcher Act nicht erweisen läßt, der fleischliche Zeugungsact nicht unter diesem Gesetze stehen und als eine freiwillkürliche, straflose Handlung des Menschen angesehen werden muß. - Denn Solches ist schon bemerkt, daß sich das Gesetz ganz schonungslos und aller ausnahmsweisen Bedingung ledig ausspricht.

08] Das nothwendige Bestehen der Menschen aber spricht sich laut gegen das Verbot dieses Actes aus, so wie die allzeit schonungslos begehrende Natur. Denn da mag Jemand sein, weß Standes er will, so wird er davon nicht freigesprochen, wenn er zu seiner Reife gelangt ist; er müßte sich denn verstümmeln lassen und seine Natur tödten, sonst thut es sich wenigstens in seiner Begierlichkeit dazu auf keinen Fall, wenn er auch durch äußere Umstände von der Activität abgehalten wird.

09] Also mit dem Fleische thut es sich auf keinen Fall; - vielleicht geht dieses Gesetz allein die Seele an? Ich meine, da die Seele durchaus das lebende Princip des Leibes ist, und die freie Action desselben rein nur von der Seele abhängt, ohne welche das Fleisch völlig todt ist, so dürfte es denn doch wohl schwerlich einen so Supergelehrten irgendwo geben, der da im Ernste behaupten könnte, die Seele habe mit den freien Handlungen des Leibes nichts zu thun.

10] Der Leib ist ja doch sicher nur das Werkzeug der Seele, künstlich eingerichtet zu ihrem Gebrauche; was soll es demnach mit einem Gebote allein für den Leib, der an und für sich eine todte Maschine ist? - Wenn Jemand mit einer Hacke einen ungeschickten Hieb gemacht hat, war da wohl die Hacke die Schuld, oder seine Hand? - Ich meine, Solches wird doch Niemand behaupten wollen, daß hier der Hacke der ungeschickte Hieb zuzuschreiben sei.

11] Eben so wenig kann man auch den Zeugungsact als eine sündige Handlung dem Leibe zuschreiben, sondern allein nur dem handelnden Prinzipe, das hier die lebendige Seele ist. - Also muß aber auch unsere bisherige kritische Beleuchtung dieses Gebotes bloß nur der Seele gelten, welche im Fleische denkt, will und handelt; und so ist eben die Seele nach dem vorlaufenden Kriterium nothwendig frei von diesem Gebote. - Also mit der Seele geht es auch nicht; so wird es doch mit dem Geiste gehen. Wir wollen sehen, was sich der Geist wird abgewinnen lassen.

12] Was ist denn der Geist? - Der Geist ist das eigentliche Lebensprinzip der Seele, und die Seele ist ohne den Geist nichts als ein substantiell ätherisches Organ, welches wohl zur Aufnahme des Lebens alle Fähigkeit besitzt, ist aber ohne den Geist nichts als ein substantiell-geistig-ätherischer Polyp, der seine Arme fortwährend nach dem Leben ausbreitet und Alles einsaugt, was seiner Natur zuspricht.

13] Die Seele also ohne den Geist ist bloß eine stumme polarische Kraft, welche den stumpfen Sinn nach der Sättigung in sich trägt, aber selbst keine Urtheilskraft besitzt, daraus ihr klar würde, womit sie sich sättiget und wozu ihr die Sättigung dient. Sie ist zu vergleichen mit einem Erzkretin, der keine andere Begierde in sich verspürt, als diejenige, sich zu sättigen. - Womit und warum? - Davon hat er keinen Begriff. - Wenn er einen großen Hunger verspürt, so frißt er, was ihm unterkommt; ob Unrath oder ob Brod, oder eine barste Kost für Schweine, das ist ihm gleich.

14] Sehet, dasselbe ist die Seele ohne den Geist; und diese angeführten Kretins haben eben auch bloß nur ein seelisches Leben, wo in der Seele entweder ein zu schwacher Geist, oder oft auch wohl gar kein Geist vorhanden ist. - Daß aber Solches sicher der Fall ist, braucht ihr nichts, als einen Blick nur in die Welt der finsteren Geister zu werfen; was sind diese? - Sie sind nach dem Tode fortlebende Seelen, die bei Leibesleben auf die leichtsinnigste und oft böswilligste Weise ihren Geist in sich so sehr geschwächt und niedergedrückt haben, daß er ihnen in solchem Zustande kaum die allerkargst gemessene Lebensregung zu verschaffen im Stande ist, bei der aber alle Lebensvortheile nicht selten im ewigen Hintergrunde bleiben müssen!

15] Wie aber geberden sich solche Wesen jenseits gegenüber von den seligen lebendigen Geistern? - Nicht anders, als pure Trottel; also geistige Kretins, in aller Weise noch mißgestaltig obend'rauf, so zwar, daß nicht selten von einer menschlichen Gestalt nicht die allerleiseste Spur mehr zu entdecken ist. Diese Wesen sind in der Geisterwelt in ihrer Handlungsweise so wenig mehr zurechnungsfähig, als es ein Kretin oder Trottel ist; im Grunde also nur der Geist.


16] Wenn aber das nun evident erwiesen ist, so fragt sich: Wie und auf welche Weise kann denn der absolute Geist Unkeuschheit treiben? - Kann der Geist fleischliche Begierden haben? - Ich meine, einen größeren Widerspruch dürfte es doch kaum geben, als den, so sich Jemand wollte im Ernste einen fleischlichen Geist denken, der nothgedrungener Maßen materiell sein müßte, um selbst grobmaterielle Begierden in sich zu haben.

17] Wenn aber schon ein Arrestat an seinem Arreste sicher nicht das größte Wohlbehagen findet, so wird um so mehr der absolute Geist noch eine desto geringere Passion haben, sich mit seinem freiesten Wesen mit der groben Materie auf immer zu verbinden und an derselben seine Lust zu finden. In diesem Sinne ist also ein Unkeuschheit treibender Geist doch sicher der größte Unsinn, den je ein Mensch aussprechen kann. - Nun fragt sich demnach: Was ist die Unkeuschheit, und wer soll dieselbe nicht treiben, indem wir gesehen haben, daß sowohl der Leib, die Seele und der Geist für sich nicht Unkeuschheit treiben können, also, wie wir sie bisher kennen?

01] Hier erblicken wir wieder eine Tafel in der Mitte des sechsten Saales. Auf der Tafel steht mit deutlich leserlicher Schrift geschrieben: »Du sollst nicht Unkeuschheit treiben, nicht ehebrechen«. - Unverkennbar ist dies das sechste Gebot, welches der Herr durch Moses dem israelitischen Volke gegeben hat (2. Mose.20,14; 5. Mose.05,18; Matthäus.05,27). Dieses Gebot ist sicher eines der schwierigsten, um es in seiner Grundbedingung zu erfassen und dann auch genau im Lebensgrunde zu beobachten.

02] Was wird eigentlich durch dieses Gebot verboten? - Und wen geht dieses Gebot überhaupt an, den Geist, die Seele oder den Leib? Wer soll da aus diesen drei Lebenspotenzen nicht Unkeuschheit treiben? Das wäre eine Frage. Was aber ist so ganz eigentlich die Unkeuschheit und was der Ehebruch? Ist die Unkeuschheit der gegenseitige Begattungsakt? Wenn das der Fall ist, so ist durch dieses Gebot auf jede Zeugung Beschlag gelegt; denn wir finden in dem einfachen Gebote durchaus keine bedingungsweise Ausnahme gestellt; es heißt einmal: »Du sollst nicht Unkeuschheit treiben«.

03] Wenn also der Akt der Begattung gewisserart als der Kulminationspunkt der Unkeuschheit angesehen wird, so möchte ich selbst denjenigen kennen, der unter der gegenwärtigen Gestalt der Dinge auf der Erde eine Zeugung ohne diesen verbotenen Akt bewerkstelligen könnte. Ob jetzt in der Ehe oder außer der Ehe, der Akt ist derselbe. Ob er wirklich in kinderzeugender Absicht begangen wird oder nicht, er ist derselbe. Zudem hat das Gebot selbst keine Bedingung in sich, durch welche eine geregelte Ehe von der Unkeuschheit ausgenommen wäre.

04] Andererseits betrachtet aber muß doch jedem Menschen einleuchtend sein, daß es dem Herrn an der Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts vorzugsweise gelegen ist und an einer weisen Erziehung desselben. Auf welchem Wege aber sollte sich das Menschengeschlecht fortpflanzen, wenn ihm der Zeugungsakt bei Strafe des ewigen Todes verboten ist? Ich meine, das kann ein jeder Mensch mit den Händen greifen, daß es hier offenbar einen Haken hat.

05] Dazu aber muß noch ein jeder sich notgedrungen selbst das Zeugnis geben, daß sicher bei keinem zu haltenden Gebote die Natur dem Menschen allgemein so mächtig Prügel unter die Füße wirft, über die er stolpern muß, als eben bei diesem. - Ein jeder Mensch, wenn seine Erziehung einigermaßen geordnet war, findet keinen Anstand, oder höchstens einen nur sehr geringen, in der Haltung der übrigen Gebote; aber bei diesem Gebote macht die Natur allezeit eine kräftigen Strich selbst durch die Rechnung eines Apostels Paulus!

06] Offenbar sehen wir eine Untersagung der fleischlichen Lust, welch mit dem Zeugungsakte unzertrennlich verbunden ist. Liegt also das Verbot nur an der fleischlichen Lust und nicht zugleich auch an dem Zeugungsakte, so fragt es sich, ob von dem ordnungsmäßigen Zeugungakte die fleischliche Lust zu trennen ist? Wer aus euch kann solches erweisen und behaupten, die beiden gesetzlich geordneten Ehegatten empfänden beim Zeugungsakte nicht auch die zeitliche Lust? Oder wo ist dasjenige Gattenpaar, das da nicht wenigstens zur Hälfte durch die bevorstehende fleischliche Lust zum Zeugungsakte aufgefordert worden wäre?

07] Wir sehen aber nun daraus, daß wir mit diesem Gebote hinsichtlich der Unkeuschheit in Anwendung auf den leiblichen Zeugungsakt durchaus nicht aufkommen können. Entweder muß es einen reinen Zeugungsakt geben, der mit der Fleischeslust nichts zu tun hat, oder, wenn sich ein solcher Akt nicht erweisen läßt, muß der fleischliche Zeugungsakt nicht unter diesem Gesetze stehen und als eine freiwillkürliche, straflose Handlung des Menschen angesehen werden. - Denn solches ist schon bemerkt, daß sich das Gesetz schonungslos und jeder ausnahmsweisen Bedingung ledig ausspricht.


08] Das notwendige Bestehen der Menschen aber spricht sich laut gegen das Verbot dieses Aktes aus, sowie die allezeit schonungslos begehrende Natur. Denn da mag jemand sein, wes Standes er will, so wird er davon nicht freigesprochen, wenn er zu seiner Reife gelangt ist. Er müßte sich denn verstümmeln lassen und seine Natur töten, sonst tut es sich wenigstens in seiner Begierlichkeit dazu auf keinen Fall, wenn er auch durch äußere Umstände von der Aktivität abgehalten wird.

09] Also mit dem Fleische tut es sich auf keinen Fall. Vielleicht geht dieses Gesetz allein die Seele an? Ich meine, da die Seele durchaus das lebende Prinzip des Leibes ist und die freie Aktion desselben rein von der Seele abhängt, ohne welche das Fleisch tot ist, so dürfte es denn doch wohl schwerlich irgendwo einen Supergelehrten geben, der da im Ernste behaupten könnte, die Seele habe mit den freien Handlungen des Leibes nichts zu tun.

10] Der Leib ist ja doch nur das Werkzeug der Seele, künstlich (kunstvoll) eingerichtet zu ihrem Gebrauche; was soll es demnach mit einem Gebote allein für den Leib, der an und für sich eine tote Maschine ist? Wenn jemand mit einer Hacke einen ungeschickten Hieb gemacht hat, war da wohl die Hacke schuld oder seine Hand? Ich meine, solches wird doch niemand behaupten wollen, daß hier der Hacke der ungeschickte Hieb zuzuschreiben sei.

11] Ebensowenig kann man auch den Zeugungsakt als eine sündige Handlung dem Leibe zuschreiben, sondern allein nur dem handelnden Prinzip, das hier die lebendige Seele ist. Also muß auch unsere bisherige kritische Beleuchtung dieses Gebotes bloß der Seele gelten, welche im Fleische denkt, will und handelt; und so ist eben die Seele nach dem verlaufenden Kriterium notwendig frei von diesem Gebote. Also mit der Seele geht es auch nicht; so wird es doch mit dem Geiste gehen? Wir wollen sehen, was sich da der Geist wird abgewinnen lassen.

12] Was ist denn der Geist? Der Geist ist das eigentliche Lebensprinzip der Seele, und die Seele ist ohne den Geist nichts als ein substantiell ätherisches Organ, welches wohl zur Aufnahme des Lebens alle Fähigkeit besitzt, aber ohne den Geist nichts ist als ein substantiell-geistig-ätherischer Polyp, der seine Arme fortwährend nach dem Leben ausbreitet und alles einsaugt, was seiner Natur entspricht.

13] Die Seele ohne den Geist ist also eine bloß stumme polarische Kraft, welche den stumpfen Sinn nach Sättigung in sich trägt, selbst aber keine Urteilskraft besitzt, daraus ihr klar würde, womit sie sich sättigt und wozu ihr die Sättigung dient. Sie ist zu vergleichen mit einem Erzkretin, der keine andere Begierde in sich verspürt als diejenige, sich zu sättigen. Womit und warum? Davon hat er keinen Begriff. Wenn er einen großen Hunger verspürt, so frißt er, wasihm unterkommt, ob Unrat oder ob Brot oder eine barste Kost für Schweine, das ist ihm gleich.

14] Sehet, dasselbe ist die Seele ohne den Geist. Und diese angeführten Kretins haben eben auch bloß ein seelisches Leben, das heißt, in deren Seele ist entweder ein zu schwacher Geist oder oft auch gar kein Geist vorhanden. Daß aber solches der Fall ist, dazu brauchet ihr nichts als nur einen Blick in die Welt der finsteren Geister zu werfen; was sind diese? Sie sind nach dem Tode fortlebende Seelen, die bei Leibesleben auf die leichtsinnigste und oft böswilligste Weise ihren Geist in sich so sehr geschwächt und niedergedrückt haben, daß er ihnen in solchem Zustand kaum die kargst zugemessene Lebenserregung zu verschaffen imstande ist, bei der aber alle Lebensvorteile nicht selten im ewigen Hintergrund bleiben müssen!

15] Wie aber gebärden sich solche Wesen jenseits gegenüber den seligen lebendigen Geistern? Nicht anders, als pure Trottel; also geistige Kretins, in aller Weise noch mißgestaltet, so daß nicht selten von einer menschlichen Gestalt nicht die leiseste Spur mehr zu entdecken ist. Diese Wesen sind in der Geisterwelt in ihrer Handlungsweise so wenig mehr zurechnungsfähig, wie die Trottel bei euch auf der Erde. Daraus aber geht nun hervor, daß nicht die Seele an und für sich, sondern nur im Besitze des Geistes, dem allein das freie Wollen innewohnt, zurechnungsfähig ist, im Grunde also nur der Geist.

16] Wenn aber das nun evident erwiesen ist, so fragt sich: Wie und auf welche Weise kann denn der absolute Geist Unkeuschheit treiben? Kann der Geist fleischliche Begierden haben? Ich meine, einen größeren Widerspruch dürfte es kaum geben als den, so sich jemand wollte im Ernste einen ,fleischlichen Geist' denken, der notgedrungenermaßen materiell sein müßte, um selbst grobmaterielle Begierden in sich zu haben.

17] Wenn aber schon ein Arrestant an seinem Arreste sicher nicht das größte Wohlbehagen findet, so wird umsomehr der absolute Geist noch eine geringere Passion haben, sich mit seinem freiesten Wesen mit der groben Materie auf immer zu verbinden und an derselben seine Lust zu finden. In diesem Sinne ist also ein Unkeuschheit treibender Geist doch sicher der größte Unsinn, den je ein Mensch aussprechen kann. Nun fragt sich demnach: Was ist also die Unkeuschheit, und wer soll dieselbe nicht treiben, indem wir gesehen haben, daß sowohl der Leib als auch die Seele und der Geist für sich nicht Unkeuschheit treiben können, so wie wir sie bisher kennen?

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