Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 1)


Kapitelinhalt 9. Kapitel: Die Sphäre des vierten Geistes. Das Geheimnis des Menschensohnes.

(Am 2. Dezember 1842 von 4 bis 6 3/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1975 Lorber-Verlag

01] Sehet, da stehet er schon, und winket euch von selbst gar freundlich, sich ihm zu nahen und in seine Sphäre zu treten. Also tretet nur wieder hin, und habet wohl Acht auf das, was ihr in seiner Sphäre werdet zu sehen bekommen. Diesen Geist werdet ihr auch in seiner Sphäre sehen, und er wird euch in seiner Welt ein wenig herumführen. Und so denn, wie gesagt, habet auf Alles Acht, was ihr da sehen werdet; denn Solches wird schon von tüchtiger Bedeutung sein.

02] Nun denn, ihr seid in seiner Sphäre, und seid überaus fröhlichen Herzens; denn ihr sehet den Geist, in dessen Sphäre ihr euch befindet, nur mit dem Unterschiede, daß ihr denselben außerhalb der Sphäre nicht erkennen mochtet, - in seiner Sphäre aber erkennt ihr ihn sogar, da er einst auf der Erde ein leiblicher Bruder zu euch war. - Mein wortemsiger Anselm wird seinen Bruder Heinrich gar wohl erkennen, wenn er ihn erst wird sprechen hören. - Ich will auch aus diesem Grunde, daß er euch ein wenig herum führe, und über so Manches eigenmündigen Ausschluß gebe.

03] Was seht ihr denn? - Ihr könnet zwar Solches aus lauter zu großer Ueberraschung eures Geistes nicht kund geben; doch dießmal will nicht Ich den Dolmetsch machen, sondern euer Führer wird Solches thun, und also spricht er denn:

04] Sehet dahin, meine lieben Brüder! Diesen großen erhabenen Tempel vor mir; sehet, welche unbeschreibliche herrliche Säulenpracht ihn ziert. - Siehst du, mein Bruder, eine Säule reicht ja so weit hinauf, daß es dir vor ihrer Höhe schwindelt; und siehe nur hin in der geraden Linie, wie nahe zahllos viele solche Säulen diesen herrlichen Tempel umfangen. - Sieh', über den Säulen erhebt sich ein rundes mehr wie tausend Sonnen stark leuchtendes Dach, und über dem Dache erhebt sich ein großes feuriges Kreuz, welches also roth strahlet wie die herrlichste Morgenröthe! - Wie gefällt dir dieser Tempel?

05] Du sprichst: Mein Bruder! seine großartige unaussprechliche Pracht läßt mich zu keinem Worte kommen, um dir darüber meine Empfindung mittheilen zu können. Aber was giebt es denn in diesem Tempel? - Lieber Bruder, kannst du uns da nicht hineinführen? O ja, meine geliebten Brüder und Freunde; machet euch aber auf das Außerordentlichste gefaßt, denn die innere Herrlichkeit, ja ich will sagen, Heiligkeit dieses Tempels ist so undenkbar erhaben, wunderbar groß, daß ihr dieselbe kaum ertragen werdet. Ihr wißt es ja, daß ich bei meinem Leibesleben ein überaus großer Freund des Wortes Gottes war; und da der Apostel Paulus vorzugsweise der unsrige Apostel war, durch welchen das Heidenthum bekehrt wurde, so war er mir nach dem Evangelisten Johannes gewisserart auch der liebste. - Solches habet ihr ja zu öfteren Malen von mir vernommen; und dieser Tempel ist gegründet aus solcher meiner innersten Hochachtung des göttlichen Wortes.

06] Bevor wir noch hinein treten wollen, will ich ihn euch ein wenig erläutern. - Diese fast unzählig vielen hohen Säulen bezeichnen die einzelnen Schrifttexte des göttlichen Wortes, und stellen das alte Testament vor. Wenn ihr nun mit mir durch die Säulen tretet, so stellt sich euch ein überaus lichter Gang dar; den Gang innerhalb der Säulen aber beschließt eine roth leuchtende Wand. Wie ihr sehet, so ist sie so hoch wie die Säulen, und ist innerhalb mit strahlenden festen Bögen mit der äußeren Säulenreihe zu oberst mächtig verbunden. Dieser überaus geräumige Gang zwischen den Säulen und der Wand ist der eigentliche Vorhof zum Tempel. - Das Dach, was ihr so stark leuchtend über den Säulen und dem Tempel in gerundeter Form geschaut habet, bedeutet das Gnadenlicht aus der Höhe. Das Kreuz über dem Dache aber besagt den Grund solches Gnadenlichtes, welches da an und für sich ist das Allerheiligste, nämlich die Liebe des Vaters im Sohne!

07] Da ihr nun, meine lieben Brüder und Freunde, Solches wisset, so gehet denn mit mir längs diesem Gange vorwärts bis dahin, da ihr ein großes Licht der Wand entströmen sehet, welches also röthlich leuchtet, als das Roth einer allerherrlichsten Frühlingsrose; allda auch ist der Eingang in den Tempel. - Wißt ihr auch, was dieses Licht bedeutet? - Dieses Licht bedeutet und besaget die Liebe zu Christo; und es ist sonst nicht möglich in diesen Tempel zu kommen, denn allein durch die enge Pforte der Liebe zu Christo. - Nun sehet, meine lieben Brüder und Freunde, wir sind an Ort und Stelle. Sehet, da ist die Thüre; ihr verwundert euch wohl, daß da in diesen übergroßen Tempel nur ein so schmales Pförtlein führet, aber ihr wißt es ja auch, daß es da heißt: Wer nicht durch die schmale Pforte gehen wird, der wird nicht zum Vater kommen; somit auch nicht in das Reich Gottes, und eben also nicht in das Engelreich der Himmel. - Bücket euch daher nur so gut und so viel ihr könnet, und folget mir nach. Alsogleich werden wir das Innere dieses Tempels zu Gesichte bekommen.

08] Nun lieben Brüder und Freunde, sind wir in dem großen Heiligthume! - Was saget ihr zu dieser Herrlichkeit? - Wie ich sehe, meine lieben Brüder und Freunde, so seid ihr ja völlig ohnmächtig und sprachlos, ich habe euch darum auch schon zuvor gesagt: Machet euch auf das Außerordentlichste gefaßt; wie ihr nun selbst mit den erstauntesten Blicken sehet, so ist das Innere dieses Tempels zu endlos groß wundervoll herrlich erhaben, um euch davon nur eine matte Skizze mittheilen zu können. Das Wunderbarste ist einmal schon für's Erste die ungeahnte endlose Größe des Inwendigen;

09] ihr habt geglaubt, wann ihr in den Tempel gelangen werdet, so werdet ihr da etwa also wie auf der Erde eine inwendige Zierathenherrlichkeit schauen; aber ihr schauet hier im buchstäblichen Sinne der Wahrheit getreu eine endlose Geisterweltenfülle, und diese Welten, die da nahe keinen Anfang und kein Ende haben, sind zu einem Reiche vereint. - Ihr blicket mit erstauntem Auge über die endlosen Fernen hin, welche da übersäet sind von zahllosen ungeahnten Herrlichkeiten. Ihr sehet himmelanragende Bäume, und auf den Bäumen hängen reichliche Früchte voll des herrlichsten Saftes und voll strahlenden Lichtes. Ihr schauet die zahllos vielen überherrlichen Tempelgebäude, und sehet sie bewohnt von großen Schaaren seliger Geister.

10] Solches Alles wundert euch überhoch; aber sehet, meine lieben Freunde und Brüder, dort auf einem sanfthohen Berge schnurgerade gegen Morgen hin steht ein ganz einfacher schlichter Tempel, aber desto außerordentlicher ist sein Glanz. Dorthin folget mir, und ihr sollet alldort Etwas zu sehen bekommen, das euch über alles dieses Geschaute entzücken soll! - Und so gehen wir. - Ihr sehet wohl, wie ferne dieser Tempel ist; nach irdischem Maßstabe dürftet ihr wohl eher eueren Mond erreichen, als diesen Tempel. Aber wir Geistmenschen haben es in dieser Hinsicht viel bequemer; denn wir dürfen es nur wollen, und wir sind schon dort, wo wir sein wollen. - So wollet denn nun auch mit Mir dort sein; und sehet, wir sind auch schon an Ort und Stelle.

11] Ihr schlaget die Hände über euerem Kopfe zusammen über die furchtbare Größe dieses Tempels, und getraut euch kaum sich ihm mehr und mehr zu nahen. - Gehet aber nur muthig mit mir auch in diesen Tempel, und ihr werdet vom gar überaus freundlichen Bewohner desselben sicher überaus gut aufgenommen sein. Also folget mir nur! - Dieser Tempel wird auch innerlich als Solcher zu beschauen sein, und ihr werdet in denselben elnkehren wie in ein überaus gastfreundliches Haus. Also sind wir in den Vorhof schon eingetreten, und so gehen wir denn durch diese leuchtende Pforte auch in das vollkommen Innere dieses Tempels. So, so, meine lieben Brüder und Freunde; wir sind an Ort und Stelle.

12] Kennet ihr dort in ziemlich weitem Vordergrunde den freundlichen Mann, umgeben von einer Menge großer und kleiner Menschengeister? - Sehet, wie er sie allerfreundlichst und liebreichst lehret das große Geheimniß des Menschensohnes, und wie ein jegliches Wort aus seinem Munde gleich einem hellsten Sterne hervorgeht! - Aber sehet, unser guter Gastfreund hat uns schon bemerkt; er hebt sich von seinem strahlenden Sitze und eilt uns mit offenen Armen entgegen. Kennt ihr ihn noch nicht? - Sehet, er ist schon ganz in unserer Nähe; betrachtet ihn nur recht genau, ihr müßt ihn erkennen. Wann ihr ihn aber schon nicht erkennen möget aus seiner sprechenden Gestalt; so werdet ihr ihn doch sicher erkennen aus seinem alten allezeit gleichen und getreuen Gruße!

13] So höret; er spricht: O lieben Brüder! Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch, und die Liebe des Vaters im Sohne und in der Gemeinschaft des heiligen Geistes! Was hat euch bewogen hierher zu kommen? - Wer war euer Führer? - Ihr getraut euch mit der Stimme nicht heraus; aber ich ahne es wohl in mir, Wessen Liebe so groß ist, daß sie Dessen Erlöste zu der heiligen Quelle des ewigen Lebens leitet! - O lieben Brüder! Ich sage euch im Namen Meines über Alles geliebten Herrn Jesus Christus, haltet euch an Ihn, haltet an Seine Liebe, und ihr werdet nicht, ja ewig nicht zu Grunde gehen; denn selig sind zwar Diejenigen, die da glauben, daß er ist Christus als der wahrhaftige ewige Sohn des lebendigen Gottes, aber Diejenigen nur, die Ihn lieben über Alles, werden in Ihm den heiligen Vater schauen; denn durch die Liebe erst werden wir zu wahrhaftigen Kindern Gottes! - Und so denn sage ich, der alte Paulus in euch: Haltet euch an die Liebe, und ihr habet das ewige Leben in euch! - Meinen Gruß, und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi im Vater und im Geiste sei mit euch!

14] Nun, meine lieben Freunde und Brüder, habt ihr gesehen, wie gastlich und wie liebfreundlich uns der alte Freund und Apostel des Herrn aufgenommen hat? - Seht, wie er sich schon wieder in der Mitte seiner Schüler befindet und sie in der Liebe zum Herrn unterrichtet. - Ihr möchtet wohl wissen, was das für Kinder und Geistermenschen sind? - Sehet, das sind lauter Heiden und heidnische Kinder; aber das sind ja beiweitem nicht alle, die ihr sehet, sondern gehet nur mit mir heraus wieder in's Freie des großen Tempels, und sehet, da wir uns schon wieder allhier im Freien befinden, die nahe zahllose Menge der Tempel allenthalben in den weiten Gebieten hervor glänzend. Sie sind lauter Lehranstalten für allerlei Heiden, und gar viele Apostel und Jünger dieses Apostels Paulus sind ihre Lehrer.

15] Es gäbe wohl noch unendlich Vieles euch zu zeigen in diesem großen Tempel, in dem wir uns befinden; allein da ihr noch mit dem Irdischen in Verbindung stehet, so würden dazu wohl Millionen und Millionen Jahre erforderlich sein, um mit euch nur den kleinsten Theil oberflächlichst durchzugehen. - Einst im Geiste aber werdet ihr Solches gleich mir durch die endlose Gnade des Herrn in aller Fülle der Klarheit erschauen. - Und so denn bewegen wir uns wieder aus dem Tempel. Sehet, wir sind schon am Pförtlein nun im Vorhof; und sehet, die große Säulenreihe, und das leuchtende Dach mit dem großen Kreuze steht wieder frei vor unseren Blicken.

16] Nun aber noch Eines. - Solches könnt ihr mir wohl sagen; denn sehet, es giebt auch hier so Manches, was wir Geister entweder nur schwer und manchmal wohl gar nicht begreifen. - Eure Besuchsweise, oder für euch deutlicher zu sprechen, daß ich euch nun sehe, und mit euch sprechen kann, ist mir wohl begreiflich; denn ihr waret schon öfter bei mir in euerem Geiste, und habet mit mir gesprochen wie jetzt; nur durfte euch keine Erinnerung an solch eine Zusammenkunft bleiben. - Also ist mir demnach auch euer gegenwärtiger Besuch gar wohl begreiflich; unbegreiflich aber ist mir, und ich kann es mir nicht erhellen, warum ich dießmal ein so namenloses Wonnegefühl in eurer Nähe empfinde? - Denn ihr könnt es mir glauben als eurem nun sicher alleraufrichtigsten Bruder, daß ich eine solche Wonne noch nie empfunden habe, so lange ich dieses sicher überseligen Ortes seliger Bewohner bin! - Saget es mir doch; saget es! wenn euch überhaupt Solches zu sagen möglich ist!

17] Nun aber sage wieder Ich euch: Solches müßt ihr ihm nicht künden; denn er muß auf einen Blick, indem er Mich erschauen wird, vorbereitet werden; sonst würde er solche Seligkeit nicht ertragen; denn es giebt hier Geister, die Mich so mächtig stark lieben, daß Ich Mich ihrer Liebe zu Folge nur nach und nach erschaulich nähern kann. - Und so denn saget ihm, er, solle nur noch ein wenig verharren in seinem Wunsche, und nach einer kurzen Zeit wird ihm der Grund seiner Wonne schon enthüllt werden. Also saget ihm Solches in eurem Geiste! - Sehet, er hat es schon vernommen aus euch, und ist damit hochbegierlich zufrieden. - Solcher Zustand heißt die Geduld der Liebe!

18] Wir sind auch schon wieder auf unserem Gesellschaftsplätzchen; und daher tretet wieder aus der Sphäre eures Brudergeistes, und sehet ein wenig zu, Ich will Mich ihm auf einen Augenblick nur zeigen! - Sehet, jetzt erblickt er Mich! Er fällt nieder auf sein Angesicht, und liebet, betet und weint, und es ist gut! Ein Augenblick nur für diese Zeit! - Wir aber wollen uns für ein nächstes Mal wieder der Sphäre eines fünften Geistes bedienen; auch dieser euer Brudergeist soll euch führen, wie der hier noch weinende und betende, welcher aber auch in unserer Gesellschaft verbleiben soll. - Und so lassen wir es für heute wieder gut sein.

01] Seht, da steht er schon und winkt euch von selbst gar freundlich, sich ihm zu nahen und in seine Sphäre zu treten. Also tretet hin und habt wohl acht auf das, was ihr in seiner Sphäre werdet zu sehen bekommen. Diesen Geist werdet ihr auch in seiner Sphäre sehen, und er wird euch in seiner Welt ein wenig herumführen. Und so denn, wie gesagt, habt auf alles acht, was ihr da sehen werdet, denn solches wird schon von großer Bedeutung sein.


02] Nun denn, ihr seid in seiner Sphäre und seid überaus fröhlichen Herzens, denn ihr seht den Geist, in dessen Sphäre ihr euch befindet, nur mit dem Unterschiede, daß ihr denselben außerhalb seiner Sphäre nicht erkennen mochtet. In seiner Sphäre aber erkennt ihr ihn sogar, da er einst auf Erden ein leiblicher Bruder zu euch war. - Mein wortemsiger Anselm wird seinen Bruder Heinrich gar wohl erkennen, wenn er ihn erst wird sprechen hören. Ich will auch aus diesem Grunde, daß er euch ein wenig herumführe und über so manches eigenmündlich Aufschluß gebe.

03] Nun, was seht ihr denn? Ihr könnt zwar solches aus zu großer Überraschung eures Geistes nicht kundgeben; doch diesmal will nicht Ich den Dolmetsch machen, sondern euer Führer wird solches tun. Und also spricht er (Heinrich) denn:

04] Seht dahin, meine lieben Brüder, diesen großen erhabenen Tempel vor mir, seht, welche unbeschreiblich herrliche Säulenpracht ihn ziert. Siehst du, mein Bruder, eine Säule reicht so weit hinauf, daß es dir vor ihrer Höhe schwindelt; und siehe nur hin in der geraden Linie, wie nahe zahllos viele solche Säulen diesen herrlichen Tempel umfangen. Sieh, über den Säulen erhebt sich ein rundes, mehr wie tausend Sonnen stark leuchtendes Dach und über dem Dache erhebt sich ein großes feuriges Kreuz, welches so rot strahlt wie die herrlichste Morgenröte! Wie gefällt dir dieser Tempel?

05] Du sprichst: Mein Bruder! Seine großartige, unaussprechliche Pracht läßt mich zu keinem Worte kommen, um dir darüber meine Empfindung mitteilen zu können. Aber was gibt es denn in diesem Tempel? Lieber Bruder, kannst du uns da nicht hineinführen? - O ja, meine geliebten Brüder und Freunde; macht euch aber auf das Außerordentlichste gefaßt, denn die innere Herrlichkeit, ja, ich will sagen Heiligkeit dieses Tempels ist so undenkbar erhaben und wunderbar groß, daß ihr dieselbe kaum ertragen werdet. Ihr wißt es ja, daß ich bei meinem Leibesleben ein großer Freund des Wortes Gottes war. Und da der Apostel Paulus vorzugsweise unser Apostel war, durch welchen das Heidentum bekehrt wurde, so war er mir nach dem Evangelisten Johannes auch der liebste. Solches habt ihr ja zu öfteren Malen von mir vernommen; und dieser Tempel ist gegründet aus solcher meiner innersten Hochachtung des göttlichen Wortes.

06] Bevor wir noch hineintreten wollen, will ich ihn euch ein wenig erläutern: Diese fast unzählig vielen hohen Säulen bezeichnen die einzelnen Schrifttexte des göttlichen Wortes und stellen das Alte Testament vor. Wenn ihr nun mit mir durch die Säulen tretet, so stellt sich euch ein lichter Gang dar; den Gang innerhalb der Säulen aber beschließt eine rot leuchtende Wand. Wie ihr seht, ist sie so hoch wie die Säulen und ist innerhalb mit strahlenden, festen Bögen mit der äußeren Säulenreihe zuoberst mächtig verbunden. Dieser geräumige Gang zwischen den Säulen und der Wand ist der eigentliche Vorhof zum Tempel. Das Dach, das ihr so stark leuchtend über den Säulen und dem Tempel in gerundeter Form geschaut habt, bedeutet das Gnadenlicht aus der Höhe. Das Kreuz über dem Dache aber besagt den Grund solches Gnadenlichtes, welches da an und für sich ist das Allerheiligste, nämlich die Liebe des Vaters im Sohne!

07] Da ihr nun, meine lieben Brüder und Freunde, solches wißt, so geht denn mit mir längs diesem Gange vorwärts bis dahin, wo ihr ein großes Licht der Wand entströmen seht, welches so rötlich leuchtet, wie das Rot einer allerherrlichsten Frühlingsrose. Da ist der Eingang in den Tempel. - Wißt ihr, was dieses Licht bedeutet? - Dieses Licht bedeutet und besagt die Liebe zu Christo; und es ist sonst nicht möglich, in diesen Tempel zu kommen, denn allein durch die enge Pforte der Liebe zu Christo. - Nun seht, meine lieben Brüder und Freunde, wir sind an Ort und Stelle. Seht, da ist die Türe. Ihr verwundert euch wohl, daß in diesen übergroßen Tempel nur ein so schmales Pförtlein führt. Aber ihr wißt auch, daß es heißt: Wer nicht durch die schmale Pforte gehen wird, der wird nicht zum Vater kommen, somit auch nicht in das Reich Gottes und eben also nicht in das Engelreich der Himmel. Bückt euch daher nur, so gut und soviel ihr könnt, und folgt mir nach, gleich werden wir das Innere dieses Tempels zu Gesichte bekommen.

08] Nun, liebe Brüder und Freunde, sind wir in dem großen Heiligtum! Was sagt ihr zu dieser Herrlichkeit? - Wie ich sehe, seid ihr völlig ohnmächtig und sprachlos. Ich habe euch darum auch schon zuvor gesagt: Macht euch auf das Außerordentlichste gefaßt. Wie ihr nun selbst mit den erstauntesten Blicken seht, so ist das Innere dieses Tempels zu endlos groß und wundervoll und selbst für mich zu unaussprechlich erhaben, um euch davon nur eine matte Skizze mitteilen zu können. Das Wunderbarste ist einmal schon fürs erste die ungeahnte endlose Größe des Inwendigen.

09] Ihr habt geglaubt, wenn ihr in den Tempel gelangen werdet, so werdet ihr da etwa wie auf der Erde eine inwendige Zieratenherrlichkeit schauen. Aber ihr schaut hier im buchstäblichen Sinne der Wahrheit getreu eine endlose Geisterweltenfülle; und diese Welten, die da nahe keinen Anfang und kein Ende haben, sind zu einem Reiche vereint. - Ihr blickt mit erstauntem Auge über die endlosen Fernen hin, welche übersät sind mit zahllosen ungeahnten Herrlichkeiten. Ihr seht himmelanragende Bäume, auf denen reichliche Früchte voll des herrlichsten Saftes und voll strahlenden Lichtes hängen. Ihr schaut die zahllos vielen herrlichen Tempelgebäude und seht sie bewohnt von großen Scharen seliger Geister.


10] Solches alles wundert euch hoch. Aber seht, meine lieben Freunde und Brüder, dort auf einem sanfthohen Berge gegen Morgen hin steht ein ganz einfacher, schlichter Tempel, aber umso außerordentlicher ist sein Glanz. Dorthin folgt mir, und ihr sollt etwas zu sehen bekommen, das euch mehr als all dieses Geschaute entzücken soll! Und so gehen wir. - Ihr seht wohl wie ferne dieser Tempel ist; nach irdischem Maßstabe dürftet ihr wohl eher euren Mond erreichen als diesen Tempel. Aber wir Geistmenschen haben es in dieser Hinsicht viel bequemer, denn wir dürfen es nur wollen, und wir sind schon dort, wo wir sein wollen. So wollt denn nun auch mit mir dort sein; und seht, wir sind schon an Ort und Stelle.


11] Ihr schlagt die Hände über eurem Kopfe zusammen über die ungeheure Größe dieses Tempels und getraut euch kaum, euch ihm mehr und mehr zu nahen. Geht aber nur mutig mit mir auch in diesen Tempel, und ihr werdet vom überaus freundlichen Bewohner desselben sicher gut aufgenommen sein. Also folgt mir nur! - Dieser Tempel wird auch innerlich als solcher zu beschauen sein, und ihr werdet in denselben einkehren wie in ein überaus gastfreundliches Haus. - Also sind wir in den Vorhof eingetreten und gehen denn durch diese leuchtende Pforte auch in das vollkommen Innere dieses Tempels. So, meine lieben Brüder und Freunde; wir sind an Ort und Stelle.

12] Kennt ihr dort in ziemlich weitem Vordergrunde den freundlichen Mann, umgeben von einer Menge großer und kleiner Menschengeister? Seht, wie er sie allerfreundlichst und liebreichst das große Geheimnis des Menschensohnes lehrt und wie ein jegliches Wort aus seinem Munde gleich einem hellsten Sterne hervorgeht! Aber seht, unser guter Gastfreund hat uns schon bemerkt. Er erhebt sich von seinem strahlenden Sitze und eilt uns mit offenen Armen entgegen. Kennt ihr ihn noch nicht? Seht, er ist schon ganz in unserer Nähe. Betrachtet ihn nur recht genau, ihr müßt ihn erkennen. Wenn ihr ihn aber schon nicht erkennt aus seiner sprechenden Gestalt, so werdet ihr ihn doch sicher erkennen aus seinem alten, allezeit gleichen und getreuen Gruße!

13] So hört, er spricht: O liebe Brüder! Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch und die Liebe des Vaters im Sohne und in der Gemeinschaft des heiligen Geistes! Was hat euch bewogen, hierher zu kommen? Wer war euer Führer? Ihr getraut euch mit der Stimme nicht heraus; aber ich ahne es wohl in mir, Wessen Liebe so groß ist, daß sie Dessen Erlöste zu der heiligen Quelle des ewigen Lebens leitet! - O liebe Brüder! Ich sage euch im Namen meines über alles geliebten Herrn Jesus Christus, haltet euch an Ihn, haltet an Seiner Liebe, und ihr werdet nicht, ja ewig nicht zugrunde gehen. Selig sind zwar diejenigen, die da glauben, daß Er ist Christus als der wahrhaftige ewige Sohn des lebendigen Gottes. Aber diejenigen nur, die Ihn lieben über alles, werden in Ihm den heiligen Vater schauen; denn durch die Liebe erst werden wir zu wahrhaftigen Kindern Gottes! - Und so denn sage ich, der alte Paulus, zu euch: Haltet euch an die Liebe, und ihr habt das ewige Leben in euch! Meinen Gruß; und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi im Vater und im Geiste sei mit euch! - -

14] Nun, meine lieben Freunde und Brüder, habt ihr gesehen, wie gastlich und wie liebfreundlich uns der alte Freund und Apostel des Herrn aufgenommen hat? Seht, wie er sich schon wieder in der Mitte seiner Schüler befindet und sie in der Liebe zum Herrn unterrichtet. - Ihr möchtet wohl wissen, was das für Kinder und Geistermenschen sind? - Seht, das sind lauter Heiden und heidnische Kinder. Aber das sind bei weitem nicht alle, die ihr seht, sondern geht nur mit mir wieder hinaus ins Freie des großen Tempels, und, da wir uns schon wieder allhier im Freien befinden, seht die nahe zahllose Menge der Tempel allenthalben in den weiten Gebieten hervorglänzen. Sie sind lauter Lehranstalten für allerlei Heiden, und viele Apostel und Jünger dieses Apostels Paulus sind ihre Lehrer.

15] Es gäbe wohl noch unendlich vieles euch zu zeigen in diesem großen Tempel, in dem wir uns befinden; allein da ihr noch mit dem Irdischen in Verbindung steht, so würden dazu wohl Millionen und Millionen Jahre erforderlich sein, um mit euch nur den kleinsten Teil oberflächlich durchzugehen! - Einst im Geiste aber werdet ihr solches gleich mir durch die endlose Gnade des Herrn in aller Fülle der Klarheit erschauen. Und so denn bewegen wir uns wieder aus dem Tempel. Seht, wir sind schon am Pförtlein im Vorhof. Die große Säulenreihe und das leuchtende Dach mit dem großen Kreuze steht wieder frei vor unseren Blicken.


16] Nun aber noch eines. Solches könnt ihr mir wohl sagen, denn es gibt auch hier so manches, was wir Geister entweder nur schwer und manchmal wohl gar nicht begreifen. Eure Besuchsweise, oder für euch deutlicher zu sprechen, daß ich euch nun sehe, und mit euch sprechen kann, ist mir wohl begreiflich; denn ihr waret schon öfter bei mir in eurem Geiste, und habt mit mir gesprochen wie jetzt, nur durfte euch keine Erinnerung an solch eine Zusammenkunft bleiben. Also ist mir demnach auch euer gegenwärtiger Besuch gar wohl begreiflich. Unbegreiflich aber ist mir, und ich kann es mir nicht erhellen, warum ich diesmal ein so namenloses Wonnegefühl in eurer Nähe empfinde. Ihr könnt es mir als eurem aufrichtigen Bruder glauben, daß ich eine solche Wonne noch nie empfunden habe, solange ich dieses überseligen Ortes seliger Bewohner bin! - Sagt es mir doch, sagt es, wenn euch überhaupt solches zu sagen möglich ist!

17] Nun aber sage wieder Ich euch: Solches müßt ihr ihm nicht künden, denn er muß auf einen Blick, in dem er Mich erschauen wird, vorbereitet werden, sonst würde er solche Seligkeit nicht ertragen. Es gibt hier Geister, die Mich so mächtig lieben, daß Ich Mich ihrer Liebe zufolge nur nach und nach erschaulich nähern kann. Und so denn sagt ihm, er solle nur noch ein wenig verharren in seinem Wunsche, nach einer kurzen Zeit wird ihm der Grund seiner Wonne schon enthüllt werden. Also sagt ihm solches in eurem Geiste! - Seht, er hat es schon vernommen aus euch und ist damit hochbegierlich zufrieden. Solcher Zustand heißt die Geduld der Liebe!

18] Wir sind auch schon wieder auf unserem Gesellschaftsplätzchen; und daher tretet wieder aus der Sphäre eures Brudergeistes und seht ein wenig zu, Ich will Mich ihm auf einen Augenblick nur zeigen! - Seht, jetzt erblickt er Mich! Er fällt nieder auf sein Angesicht und liebt, betet und weint, und es ist gut! Einen Augenblick nur für diese Zeit! - Wir aber wollen uns für ein nächstes Mal wieder der Sphäre eines fünften Geistes bedienen. Auch dieser euer Brudergeist soll euch führen wie der hier noch weinende und betende, welcher aber auch in unserer Gesellschaft verbleiben soll. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein. -

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