Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 1, Band 44


Weitere Interpretationen Nathanaels der Bergpredigt-Ausdrücke 'rechtes Auge' und 'linke Hand'. Dank des belehrten Oberpriesters.

01] Sagt der Oberpriester, der diese Rede mit großer Aufmerksamkeit anhörte: »Es ist nun schon alles wohl und gut, und ich verstehe nun nach meinem Dafürhalten alles so ziemlich; nur eines muß ich dir noch bemerken, und das besteht darin, dass der Meister eigentlich nur vom Ausreißen des rechten Auges und vom Abhauen der rechten Hand geredet hat. Ich habe dann in meinem forschenden Eifer so per Bausch und Bogen gleich auch die Füße dazugenommen, und sieh, du aber hast mir das Abhauen der Füße nun ebenso erklärt wie von Auge und Hand, von denen allein meines Wissens der Herr geredet hat. Du aber sagtest, es bestehe Entsprechung nur im Worte des Herrn, der zum Geiste des Menschen spricht; wie kommt es denn, dass du auch in meinem Zusatz Entsprechung fandest?«

02] Sagt Nathanael: »Du irrst dich! Der Herr sprach auch vom rechten Fuße; nur den Schreibern gab er einen Wink, das vom Fuße auszulassen, weil bei denen, die einmal ihre innere Sehe dem Himmel zugewandt haben und ihren Liebewillen, der entsprechend unter dem linken Arm als der Hand des Herzens verstanden wird, nach dem Willen Gottes tätig machten, nachdem sie den rechten Arm oder die rechte Hand, unter der der rein weltliche Handlungstrieb verstanden wird, von sich geschafft haben, es nicht mehr nötig ist, auch den rechten Fuß eigens von sich zu schaffen. Denn so einmal das Auge im rechten Lichte und die Hand, oder besser der Wille, im rechten Handeln sich befinden, so ist der Fortschritt in die Regionen des ewigen Lebens schon von selbst da, oder der rechte Fuß, der da bezeichnet den Fortschritt in der Welt, schon von selbst abgelöst, und es bedarf da keiner besonderen Mühe mehr.

03] Ihr Samariter aber könntet füglich beim Fuße anfangen; denn obschon eure Sehe nun dem Göttlichen zugewandt ist und eure Hände eine rechte Tat verrichten, so ist aber dennoch euer Fuß, oder eure Fortschrittsgier, rein in die Welt hinausgerichtet! Denn ihr erwartet vom Messias ganz etwas anderes, als was ihr nach der Voraussage aller Propheten von Ihm erwarten sollt! Und das ist, geistig genommen, euer rechter Fuß, den ihr abhauen sollt, um den rechten Weg zum Reiche Gottes einschlagen zu können. Und darum hatte der Herr bloß nur euretwegen auch vom rechten Fuße gesprochen, aber solches nicht niederschreiben lassen, weil die späteren Anhänger der Lehre des Herrn wohl wissen werden, wo und worin das Reich des Messias besteht, und was man tun muß, um in dasselbe zu gelangen. Hast du nun noch irgend einen Anstand?«

04] Sagt der Oberpriester: »Nun ist mir wohl alles klar bis insoweit, als es mir überhaupt klar sein kann. Nur muß ich trotz allem meinem nunmaligen Verständnis hinzufügen, dass eure Lehre in der Art, wie sie gegeben wird, eine harte und schwer verständliche Lehre ist, und ihr werdet es erleben, dass sich an ihr gar viele stoßen werden!

05] Ich will euch zwar keinen schlechten Propheten machen; aber das sage ich euch dennoch, dass ihr damit bei den hochtrabenden Juden nicht das bewirken werdet, was ihr bei uns trotz unserer mannigfachen Dummheit bewirkt habt. Wir glauben nun, wenn auch noch wie in einem Traume; die großen Juden aber werden euch nicht also glauben! Sie werden Zeichen verlangen und werden euch am Ende noch der Zeichen wegen verfolgen; wir aber verlangten keine Zeichen von euch; ihr wirktet sie aber dennoch freiwillig.

06] Wir aber glauben euch nun nicht der Zeichen wegen, die auch die Menschen teilweise verrichten können, sondern rein der Lehre wegen, da ihr sie uns erläutert habt! Ihr sollt daher auch bei uns verbleiben, denn bei den hohen Juden und Griechen werdet ihr schlechte Geschäfte machen!«



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