Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 1, Kapitel 29


Freudiger Schreck der Frau am Jakobsbrunnen. Rückkehr der Jünger vom Speisen-Einkauf. Heilung der Frau, die in die Stadt eilt und den Messias verkündet. Abordnung aus Sichar.

  • Johannes.04,27] Und inzwischen kamen seine Jünger, und sie wunderten sich, dass er mit einem Weib redete; doch sagte niemand: »Was fragst du?« oder: »Was redest du mit ihr?«

    01] Bei dieser Erklärung erschrak das Weib sehr, und zwar darum um so mehr, da a gerade in diesem Moment die speisebringenden Jünger aus der Stadt zurückkamen und ganz verwundert große Augen machten, als sie Mich mit diesem Weibe redend trafen, sich aber dennoch nicht getrauten, weder Mich noch das Weib zu fragen, was wir gemacht oder miteinander geredet hätten. Die anderen Mitreisenden aber schliefen samt Meiner Mutter, die hier auch noch zugegen war, derart fest, dass sie kaum zu erwecken waren; denn der weite Marsch hatte sie alle sehr müde gemacht. Es kam endlich auch der eine Jünger aus dem Dörflein zurück, der ein Gefäß zum Wasserschöpfen suchen gegangen war, aber keines gefunden hatte. Er entschuldigte sich und sagte: »Herr, das Dörfchen zählt doch bei etliche zwanzig Häuser, und sieh, es ist Dir aber auch nicht ein Mensch daheim, und alle Türen sind fest verschlossen!« (a Johannes.04,27*)

    02] Worauf Ich ihm erwidere: »Mache dir nichts daraus! Denn sieh, das wird uns naturmäßig, und ganz besonders geistig, noch sehr oft und vielfach begegnen, dass wir vom Durste unserer Liebe getrieben an die Türen (Herzen) der Menschen pochen werden, zu suchen ein Gefäß zum Schöpfen des lebendigen Wassers; aber wir werden die Herzen verschlossen und leer finden! Verstehst du dies Bild?«

    03] Spricht der Jünger ganz gerührt und betroffen: »Herr, Du lieber Meister, leider habe ich Dich wohl verstanden! Aber wenn so, da werden wir keine großen Geschäfte machen!«

    04] Sage Ich: »Und doch, Mein Bruder! Sieh dies Weib an! - Ich sage dir: einen a Verlorenen zu finden, ist mehr wert denn neunundneunzig Gerechte, die nach ihrem Gewissen der Buße nicht bedürfen, weil sie an jedem Sabbat auf Garizim Gott zu dienen wähnen, hier aber sogar am Vorsabbat alle Schöpfgefäße wegnehmen, auf dass sich am Sabbat ja niemand einen Trunk Wassers aus dem Brunnen schöpfe und lösche seinen Durst, wodurch nach der Meinung der Gerechten der Sabbat entheiligt würde. O der großen, blindesten Torheit solcher Gerechten! Hier aber steht eine Sünderin mit einem guten Kruge und dient uns! Sagt, was ist besser: diese oder die neunundneunzig Sabbatheiliger auf Garizim?!« (a Lukas.15,07)

    05] Das Weib aber sagt ganz zerknirscht: »Herr! Du Sohn des Ewigen! Hier ist mein Krug, bedient euch desselben; zu eurem Dienste lasse ich ihn hier stehen! Mich aber lasst schnell in die Stadt eilen, denn in einem eurer zu unwürdigen Kleide stehe ich vor euch!« - Sage Ich: »Weib, sei gesund und tue, wie es dir gut dünkt!«

  • Johannes.04,28] Da ließ das Weib ihren Krug stehen und ging in die Stadt und spricht zu den Leuten:

    06] a Weinend vor Freude verläßt das Weib den Krug und Brunnen und eilt in die Stadt, sieht sich aber während des Gehens vielmals Mich grüßend um, denn sie liebt Mich mächtig. Das Weib kommt nahe außer Atem in die Stadt, und es begegnen ihr mehrere Männer in einer Schar, wie sie sabbats gewöhnlich in einer schattigen Gasse auf und ab zu lustwandeln pflegten. Die Männer, die das Weib wohl kannten, fragten sie scherzweise: »Nun, nun, wohin denn doch gar so eilig? Wo brennt es denn?« Das Weib sieht sie liebernst an und sagt: »O scherzet nicht, ihr lieben Herren, denn unsere Zeit ist ernster geworden als ihr es ahnen mögt!« (a Johannes.04,28*)

  • Johannes.04,29] »Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei?«

    07] Hier unterbrechen sie die Männer und fragen sie voll banger Neugierde: »Nun, nun, was ist es denn, ziehen Feinde in unser Land, oder naht sich ein Heuschreckenschwarm unserer Gegend?«

    08] Das Weib spricht ganz erschöpft: »Nichts von all dem! Die Sache ist viel größer und viel außerordentlicher! Hört mich ruhig an!

    09] Schon vor einer Stunde ging ich hinaus zum Jakobsbrunnen, mir ein Mittagswasser zu holen, und seht, da fand ich einen Menschen, den ich anfangs fest für einen Juden hielt, am Geländer des Brunnens sitzen! Als ich mir, seiner kaum achtend, mein Wasser aus dem Brunnen geschöpft hatte, redete mich der Mensch an und verlangte, dass ich ihn aus meinem Krug solle trinken lassen. Ich verweigerte ihm solches, da ich vermeinte, dass er ein Jude sei.

    10] Er aber redete wieder, wie ein Elias weise, und a tat mir alles kund, was ich je getan hatte. Am Ende leitete er selbst das Gespräch auf den Messias, und als ich ihn weiter fragte, wo, wie und wann der Messias kommen werde, da sah er mich liebeernst an und sagte mit einer Stimme, die mir durch Mark und Bein ging: 'Ich bin es, Der Ich nun mit dir rede!' (a Johannes.04,29*)

    11] Ich aber hatte Ihn schon früher gebeten, da Er mir sagte, wie krank ich sei, ob ich nicht wieder gesund werden könnte. Und nun zuletzt sagte Er zu mir 'Werde gesund!', und seht, mein Übel fuhr aus mir wie ein Wind, und ich bin nun vollauf gesund!

    12] Geht denn hinaus und seht selbst, a ob das nicht wahrhaft Christus, der verheißene Messias, sei. Ich halte Ihn fest dafür, denn größere Zeichen, als dieser Mensch tut, wird Christus, so Dieser es nicht wäre, nimmer zu tun vermögen! Geht also hinaus und überzeugt euch selbst! Ich aber eile nun nach Hause, um bessere Kleider anzulegen, denn also könnte ich vor Seiner Herrlichkeit nimmer bestehen! Mehr ist Er sicher als ein Prophet oder ein König des Volkes, so Er nicht Christus sein sollte!« (a Johannes.04,29*)

    13] Sagen die Männer: »Ja, wenn das, da wäre freilich diese Zeit vom höchsten Ernste und von der höchsten Bedeutung! Da müssen wir aber schon in größerer Anzahl hinausgehen und müssen auch darunter sein etliche, die der Schrift wohl kundig sind; es ist nur schade, dass heute unsere Rabbiner sich alle auf dem Berge befinden! Aber vielleicht läßt Er Sich bereden, einige Tage in unserer Mitte zu verweilen, und da könnten Ihn schon auch diese prüfen.«

  • Johannes.04,30] Da gingen sie aus der Stadt und kamen zu ihm.

    14] Sie laden darauf noch mehrere, mit ihnen hinauszuziehen zum Jakobsbrunnen, und es geht nun ein Zug von nahe hundert Menschen beiderlei Geschlechts a hinaus, um zu sehen den Messias. (a Johannes.04,30*)



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