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Kapitelinhalt 20. Kapitel: Unzahl fliegender Tiere ohne Gefieder. Vom Reich der Vögel. Die Wasserhenne. Der Behor, eine große Reiherart. Der Himmelsbote, ein guter Sänger. Der Flugtonakkord dieser Vögel. Gesang und Musik der Saturnmenschen.

Originaltext 1. Auflage 1855 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text, Verseinteilung und Überschriften nach 4. Auflage 1969 Lorber-Verlag

01] Wie schon Anfangs bei der Kundgabe dieser fliegenden Thiere erwähnt wurde, daß es deren eine große Menge giebt, also sage Ich es auch hier: Diese Menge ist nach der Zahl der Gattungen und Arten für diesen Planeten übergroß, daß ihr kaum, wie gesagt, auf zehntausend Bögen ihre Namen unterbringen würdet; aber dennoch ist ihre verschiedenartige Gestaltung bewunderungswürdiger, als ihre große Anzahl selbst; denn fast alle vierfüßigen Thiere dieses Planeten, wie auch sehr viele Fischgattungen sind in in diesen fliegenden Thieren eine Abartung, und es verhält sich die Sache gerade also, als wenn ihr auf eurer Erde alle sammt und sämmtlichen zahmen und wilden Thiere nebst allen den Amphibien und den meisten Fischgattungen möchtet ebenfalls also wie eine Flattermaus beflügelt haben, und hättet dadurch beflügelte Elephanten, Pferde, Ochsen, Löwen, Tieger, Hyänen, und sofort durch die ganzen Thierreiche durch. Was hier für die Erde nur beispielsweise angeführt ist, das findet sich im Saturnus buchstäblich vor; nur sind die fliegenden Thiere viel kleiner gegen diejenigen, denen sie in der Form entsprechen, und die wirklichen oder unbeflügelten aber dann bei weitem größer, stärker und mächtiger, die entweder den festen Boden dieses Planeten oder die Gewässer desselben bewohnen.

02] Nun könnt ihr euch schon einen Begriff machen, wie lebhaft es allhier aussehen mag; und könnt euch noch dazu das Angenehme denken, wenn ihr euch noch dazu denket, daß diese Thiere zumeist gutmüthiger Art sind, und die Saturnusmenschen durch die Stärke ihres Willens fortwährende Meister, sowohl der Elemente, wie auch um so mehr der fast allermeisten Thiere sind, mit Ausnahme nur sehr weniger, welche ungefähr in dem Ansehen unseres schon bekannten Fisches stehen.

03] Nachdem wir unsere fliegenden Thiere in unserem Saturnus beobachtet haben, und zwar diejenige Klasse derselben, welche sich ohne das Gefieder in die Luft erheben, und in derselben herumfliegen können, und haben dabei gesehen, wie groß ihre Zahl und Mannigfaltigkeit ist, so dürfte euch wohl sicher der Gedanke sich in einer bescheidenen Frage aufwerfen: Wenn es so viel solcher fliegenden Gäste in diesem Planeten giebt, wer mag da noch bestehen? Da muß ja die Luft ganz undurchsichtig sein, wenn alle diese Thiere auffliegen; und wenn sie auf den Saturnuserdboden dann wieder aufsitzen, da wird ja kaum so viel Platz mehr übrig bleiben, daß irgend Jemand nur nöthigen Falls seinen Fuß dahinsetzen könnte. Allein diese Besorgniß ist von eurer Seite für diesen großen Planeten so gut wie ganz vollkommen eitel; denn bedenket nur, daß dieser Planet über tausendmal so groß ist als die Erde, und daß er, wie ihr schon wißt, über siebenzig große Kontinente besitzt, von denen einige so viel Flächenraum haben, als die ganze Erdoberfläche, so das Meer und alle anderen Gewässer festes Land wären. Wie aber Jedermann auf der Erde mit den Thieren nicht zu sehr überlästigt wird, eben so gut auch werden die Bewohner des Saturnus von den dortigen Thieren nicht überlästiget; sondern es besteht da eine überaus gute Ordnung, und ungeachtet dessen, daß es so viele und seltsame Thiergattungen auf diesem Planeten giebt, werden aber diese im freien Zustande doch viel weniger gesehen, als so manche Thiere bei euch auf eurem Planeten, auf welchem überhaupt sich Alles in engeren Kreisen beweget, als auf dem Saturnus.

04] Damit ihr euch von der weiteren Ausdehnung in Allem einen kleinen Begriff machen könnet, so mache Ich euch nur darauf aufmerksam, was Ich schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt habe, und zwar gleich Anfangs der Eröffnungen über diesen Weltkörper, allwo es angedeutet wird, daß die Wohnungen der Saturnusbewohner für eure Füße berechnet, so ziemlich weit von einander abstehen. Wie es aber mit den Entfernungen der Saturnusbewohner steht, also steht es auch mit allen andern Verhältnissen, da Alles seinen vollkommen hinreichenden Platz hat; aus welchem Grunde auf diesem Weltkörper die Grenzstreitigkeiten so gut als ganz fremd sind.

05] Sehet, solches mußte hier vorangeschickt werden, damit ihr bei der noch folgenden Aufzeichnung der gefiederten Luftbewohner, und dann der andern Thiere des festen Bodens nicht von einem schwindelnden Unglauben befallen werdet, so ihr die folgenden Maße der Thiere noch werdet kennen lernen.

06] Und somit wenden wir uns zu unsern Vögeln. Ihr wißt, wie mannigfaltig diese Thiergattung schon auf eurem kleinen Planeten ist, wenn ihr da vom riesigen Strauße bis zum kleinen Colibri dieselbe zu zählen anfanget. Was aber ist diese Kleinigkeit gegen die Ausdehnung in unserem Planeten; denn daselbst giebt es noch um's Tausendfache mehrere Gattungen dieses Gethieres, denn auf dieser Erde. Wenn ihr die Zahl der Gattungen bestimmt wissen wollet, so sage Ich euch, daß, so im Saturnus von jeder Gattung nur ein Männlein und ein Weiblein vorhanden wären, so gäbe das schon zwei hundert und vierzig Millionen Vögel. Freilich wohl leben nicht alle Gattungen in einem und demselben Lande, sondern in einem jeden Lande finden sich auch wieder andere Gattungen vor, und selbst in einem Lande sind die Gattungen verschieden; so sehen sich diejenigen Gattungen durchaus nicht ähnlich, wenn sie auch einer und derselben Art sind, davon ein Theil bewohnet den südlichen und ein Theil den nördlichen Theil eines und desselben Landes, z. B. eine Wasserhenne, welcher Vogel in diesem Planeten sehr berühmt ist, sieht in den südlichen Gewässern beiweitem anders aus, als in den nördlicheren; und so alle Vogelgattungen, sowohl zahme, als nicht zahme, sind sich verschieden in ihrer Gestalt und Farbe sowohl als auch in ihrer Tauglichkeit vom Süd bis zum Nord und vom Ost bis zum West eines und desselben Landes.

07] Da ihr aus dem bereits Gesagten sicher entnehmen könnet, daß es eine reine Unmöglichkeit für euch wäre, euer ganzes Leben hindurch nur mit der Niederschreibung der Namen dieser Thiere fertig zu werden, so wird es euch sicher noch ersichtlicher sein, daß es noch unmöglicher wäre, euch jeden einzelnen Vogel der Gattung nach zu beschreiben nach allen seinen Verrichtungen, nach seiner Form und nach seiner Bestimmung. Solches ist alsdann ersichtlich, und so wollen wir denn auch aus dem befiederten Reiche der Thiere nur einige der allermerkwürdigsten kurz darstellend herausheben, und nehmen wir denn in dieser Hinsicht auch alsogleich den ersten und den größten Vogel dieses Planeten her, und wollen ihn mit einigen flüchtigen Blicken beschauen.

08] Behor, oder das Lufschiff, also heißt unser Vogel. Ihr könnt es glauben, daß er, so er sich auf der Erde befinden würde, sicher mehr Raum einnehmen möchte, denn das allergrößte Linienschiff, ohne daß er dabei nöthig hätte, seine Flügel auszuspannen. Wenn dieser Vogel fliegt, oder wenn er seine Flügel ausspannt, so sind nach eurem Maße die Spitzen der beiden äußersten Flügelfedern eine gute Stunde Weges von einander entfernt; die Kiele der Flügelfedern haben einen größeren Durchmesser als die dicksten Eichbäume auf eurer Erde, und eine jede Feder am Flügel ist vom Kiele bis zur äußersten Spitze nicht selten bei 800 Klaftern lang. Dieser Vogel hat ebenfalls sehr lange und starke Füße, so zwar, daß wenn er auf seinen Füßen steht, dieselben für ihn fast eben also etwas zu lang herauskommen, wie bei einem sogenannten Fischreiher auf eurer Erde. Warum hat denn aber dieser Vogel also unverhältnißmäßig lange Beine? - Weil er ein Wasservogel ist, und sich somit beständig an den Meeresgegenden aufhält, allwo er sich von den Fischen nähret; am Lande wird er niemalen gesehen, sondern nur stets auf dem Wasser schwimmend, oder nicht gar zu hoch über die Meeresfläche dahin fliegend; aus welchem Grunde er auch das fliegende Schiff genannt wird.

09] Ist dieser Vogel etwa schön? - Nein; dieses Thier plagt die Schönheit nicht, wenn ihr in eurer Phantasie euch einen Fischreiher also vergrößern wollet, da dürftet ihr so ziemlich die Gestalt unseres fliegenden Schiffes vor Augen gestellet haben. Er ist durchgehends von aschgrauer und mitunter dunkelbrauner Farbe; hat einen Schnabel wie ungefähr eine Gans bei euch, und so ziemlich auch einen ihr ähnlichen Kopf, nur natürlich verhältnißmäßig größer. Denn einen Fisch, der in den Gewässern des Saturnus so groß ist, als ein ausgewachsener Haifisch in einem eurer Meere, verschlingt dieser Vogel mit derselben Leichtigkeit als ihr eine Erdbeere. Sonach hättet ihr die Gestalt dieses Vogels so kurz und so gut als möglich dargestellet.

10] Nur dürfte vielleicht hier und da Einer fragen, ob dieser riesige Vogel den Saturnusbewohnern etwa ein gefährlicher Gast ist? Nein, das ist er durchaus nicht, da er von sehr furchtsamer Natur ist, und flieht jede Annäherung des Menschen, sogar die eines Kindes. Seine Größe ist mehr eine Scheingröße, als eine wirkliche Kraftgröße, denn nur seine reichlichen und viele Klaftern langen Federn machen ihn so groß aussehen; wäre er dieser beraubt, so dürfte er beiweitem nicht so viel wiegen, als das schwächste Weib dieses Planeten.

11] Somit hätten wir nun einen und zwar den größten Vogel dieses Planeten schon kennen gelernt. - Auch dieser Vogel artet sehr aus in den verschiedenen Meeren, und ist an sich selbst verschieden sowohl an Größe, als auch an der Farbe und an der Gestalt. Da wir nun auf diese Weise mit diesem Thiere nichts mehr zu thun haben, so gehen wir wieder auf eine andere Gattung über.

12] Nach dieser Gattung kommt als merkwürdigster Vogel des Saturnus einer unter dem Namen der Himmelsbote vor. Dieser Vogel hat ganz wohl die Gestalt einer vollkommen weißen Taube bei euch. Nur ist er natürlicher Weise um nahe 500 mal so groß, als eine Taube bei euch. Von diesem Vogel glauben die Saturnusbewohner, daß er sich beständig in der Luft herumfliegend aufhalte, da ihn noch nie Jemand je irgendwo hat aufsitzen gesehen. + In einer Hinsicht haben die Saturnusbewohner wohl recht, denn auf dem Lande sitzt er auch wirklich nirgends auf, sondern stiegt bald hoch bald nieder ganz gemächlich in der Luft herum; aber wenn er also des Fliegens müde geworden ist, da fliegt er alsobald mit großer Schnelligkeit den Meeresgegenden zu, allwo er sich dann in die allerabseitigsten Winkel der Meeresufer verbirgt, und daselbst seine Nahrung suchet, welche in einer fetten Art weißen Klippenmooses besteht.

13] Hat er sich nach kurzer Zeit gesättiget und so gestartet, dann fliegt er sobald wieder auf, und zwar zu einer außerordentlichen Höhe, von da aus er dann wieder seine Luftpromenade landeinwärts macht; besonders pflegt er solches gerne am Morgen vor dem Aufgange der Sonne zu thun, aus welchem Grunde er auch in manchen Gegenden den Namen: der Sonnenbote führet, d. h. also nennen ihn so manche Bewohner des Saturnus.

14] Dieser Vogel singt in seinem Fluge allerlei Vogellieder, und das zwar in viel vollkommenerem Maße, als bei euch eine Nachtigall; daher er auch noch nicht selten, besonders von den Weibern, der muntere Morgensänger genannt wird.

15] Obschon aber dieser Vogel besonders in den dem Meere näher gelegenen Ländertheilen sehr häufig gesehen und gehört wird, so bleibt aber dessenungeachtet dennoch ein jeder Saturnusbewohner stehen, und sieht diesem Vogel so lange nach, bis er ihn der Ferne halber verloren hat; denn die Saturnusbewohner sind manchmal so erbaut beim Anblick dieses Vogels, daß sie sehr geneigt wären, ihm eine göttliche Verehrung zu erweisen, wenn solches zugelassen würde von den Geisterengeln dieses Planeten;

16] Allein damit solches nicht geschieht, so haben diese Vögel den eigenen Instinkt, daß sie nichts so sehr meiden, als die Blicke der Menschen. es darf daher nur ein Saturnusmensch einen solchen Vogel in's Auge fassen, so darf er auch fest darauf rechnen, daß dieser Vogel sich bald seiner Gafflust entziehen wird. Aus ebendiesem Grunde bewohnt dieser Vogel auch allezeit solche Stellen, die den Blicken des Saturnusmenschen rein unzugänglich sind.

17] Das Beachtenswertheste dieses Vogels ist sein zuweilen außerordentlich schneller Flug, von dem ihr euch nicht leichtlich einen Begriff machen könnet; denn wenn er also recht im Zuge ist, da ist es ihm nur ein Leichtes, in einer Stunde tausend von euren Erdmeilen zurückzulegen. + Wenn dieser Vogel bei der Nacht fliegt, so ist er durchaus weißglänzend zu sehen, so zwar, daß er in seinem Schnellfluge fast dieselbe Erscheinung darbietet, wie bei euch auf der Erde ein sogenannter fliegender Drache. Ueber das Land fliegt er besonders gerne nur bei Nachtzeit, wo er dann für die Bewohner des Saturnus ein Hauptspektackel giebt; ja manche sind so eingenommen für diese Lichterscheinungen, daß sie sich an jenen Orten, wo dieser Vogel häufig zu Hause, auf irgend einem baumfreien Hügel mit dem Rücken niederlegen, um nur desto ungehinderter den Flug solcher Vögel so recht satt angaffen zu können.

18] Noch eine Merkwürdigkeit dieses Vogels besteht darinnen, wenn 2, 3 oder mehrere Vögel in gerader Linie ihren Schnellflug ausführen, so geschieht da gewöhnlich, daß durch die schnelle Durchschneidung der Saturnusluft ein ziemlich reiner Ton erzeugt wird. Wenn dann natürlich mehrere Vögel dieser Art nach einer und derselben Richtung hinschießen, fast ein jeder Vogel einen anderen Ton bildet, welche Töne zusammen dann nicht selten einen Accord nach eurer Kunstsprache bilden, welcher vom pianissimo bis zum fortissimo und von da wieder in pianissimo also verschwindet, als wie da verschwindet ein angeschlagener Ton oder Accord auf einem Klaviere.

19] Sehet, also hat dieser Vogel besonders für den Saturnusbewohner außerordentlich viel Anziehendes, da die Saturnusbewohner große Freunde des Gesanges und ganz besonders von harmonischen Tönen, aber dessen ungeachtet selbst nicht eben zu sehr musikalisch sind; und haben sie auch nur höchst elende und dürftige musikalische Instrumente, aber desto reinere Kehlen zum Gesange, wo dann die Weiber gewöhnlich die Melodien, die Männer aber gerne Accorde zusammen singen, und können sich oft mit einem glücklich erfundenen Accorde Tage lang unterhalten, denn wenn sie da ihre Töne bald auslassen, so brauchts dann manchmal sehr viel Mühe, bis sie, wie ihr zu sagen pflegt, zufälliger Weise wieder auf einen guten Accord gelangen. Doch was dergleichen fernere saturnusmenschliche Verhältnisse betrifft, wird Alles am rechten Orte noch deutlicher dargeboten werden; und da wir somit von unserem Himmelsboten, Sonnenvogel und Morgensänger nichts mehr Erhebliches darthun können, so wollen wir uns dafür wieder zu einem anderen gefiederten Luftbewohner wenden.

01] Wie schon anfangs bei der Kundgabe der fliegenden Tiere erwähnt wurde, so ist deren Menge nach der Zahl der Gattungen und Arten für diesen Planeten so übergroß, daß ihr, wie gesagt, kaum auf zehntausend Bogen ihre Namen unterbringen würdet. Aber dennoch ist ihre verschiedenartige Gestaltung bewunderungswürdiger als ihre große Anzahl selbst. Denn fast alle vierfüßigen Tiere dieses Planeten wie auch sehr viele Fischarten finden in diesen fliegenden Wesen auch eine Abartung. Und es verhält sich die Sache geradeso, als wenn ihr auf eurer Erde sämtliche zahmen und wilden Tiere nebst allen Amphibien und den meisten Wasserbewohnern möchtet wie eine Flattermaus beflügelt haben und hättet dadurch beflügelte Elefanten, Pferde, Ochsen, Löwen, Tiger, Hyänen und so fort die ganze Tierreihe hindurch. Was hier für die Erde nur beispielsweise angeführt ist, das findet sich im Saturn buchstäblich vor, nur sind die fliegenden Tiere viel kleiner als diejenigen, denen sie in der Form entsprechen, und die unbeflügelten, die den festen Boden oder die Gewässer dieses Planeten bewohnen, sind bei weitem größer, stärker und mächtiger.

02] Nun könnt ihr euch schon einen Begriff machen, wie lebhaft es hier aussehen muß. Und ihr könnt euch noch dazu das Angenehme denken, daß diese Wesen zumeist gutmütiger Art sind und daß die Saturnmenschen durch die Stärke ihres Willens fortwährende Meister sowohl der Elemente wie auch der allermeisten Tiere sind (mit Ausnahme nur sehr weniger, welche ungefähr in dem Ansehen unseres schon bekannten Fisches stehen).

03] Nachdem wir nun unsere fliegenden Tiere im Saturn betrachtet haben, und zwar diejenige Klasse, welche sich ohne Gefieder in die Luft erheben und in derselben umherfliegen können, und dabei gesehen haben, wie groß ihre Zahl und Mannigfaltigkeit ist, so dürfte sich euch wohl sicher der Gedanke in einer bescheidenen Frage aufwerfen: »Wenn es so viel solcher fliegender Gäste in diesem Planeten gibt, wer mag da noch bestehen? Da muß ja die Luft ganz voll von ihnen sein, wenn alle Tiere auffliegen. Doch diese Sorge von eurer Seite ist für diesen großen Planeten so gut wie vollkommen eitel. Denn bedenket nur, daß dieser Planet über tausendmal so groß ist wie die Erde und daß er, wie ihr schon wißt, über siebzig große Kontinente besitzt, von denen einige so viel Flächenraum haben wie die ganze Erdoberfläche, wenn das Meer und die anderen Gewässer festes Land wären. Es kann aber jedermann auf der Erde noch gar wohl umhergehen, obwohl in der Luft, auf der Erde, in der Erde und im Wasser Millionen Wesen aller Art leben. Wie aber der Mensch auf der Erde von den Tieren nicht zu sehr belästigt wird, ebenso werden auch die Bewohner des Saturn von den Tieren nicht bedrängt. Und ungeachtet dessen, daß es so viele und seltsame Tiergattungen auf diesem Planeten gibt, werden diese im freien Zustand doch viel weniger gesehen als so manche Tiere bei euch auf eurem Planeten, auf welchem sich überhaupt alles in engeren Kreisen bewegt als auf dem Saturn.

04] Damit ihr euch von der weiteren Ausdehnung in allem einen kleinen Begriff machen könnt, mache Ich euch auf das aufmerksam, was Ich schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt habe, und zwar gleich anfangs der Eröffnungen über diesen Weltkörper, daß die Wohnungen der Saturnmenschen, für eure Füße berechnet; weit voneinander entfernt liegen. Wie es aber mit den Behausungen der Saturnbewohner steht, ebenso ist es auch mit allen andern Venhältnissen, da alles seinen vollkommen hinreichenden Platz hat; aus welchem Grunde auf diesem Weltkörper die Grenzstreitigkeiten so gut wie ganz unbekannt sind.

05] Solches mußte hier vorangeschickt werden, damit ihr bei der noch folgenden Aufzählung der gefiederten Luftbewohner und dann der Tiere des festen Bodens nicht von einem schwindelnden Unglauben befallen werdet,so ihr die folgende Unzahl der Tiere noch werdet kennenlernen.

06] Und somit wenden wir uns nun zu unsern Vögeln! - Ihr wißt, wie mannigfaltig diese Tiergattung schon auf eurem kleinen Planeten ist, wenn ihr dieselbe vom riesigen Strauß bis zum kleinen Kolibri zu zählen anfangt. Was aber ist diese Erdfläche gegen die vielfach größere auf dem Saturn. Denn daselbst gibt es noch ums Tausendfache mehr Gattungen dieses Getiers als auf eurer Erde. Wenn ihr die Zahl der Gattungen bestimmt wissen wollt, so sage Ich euch, wenn im Saturn von jeder Gattung nur ein Männlein und ein Weiblein vorhanden wären, so gäbe das schon zweihundertundvierzig Millionen Vögel. Freilich lebt nicht eine Gattung allein in einem und demselben Land; sondern in einem jeden Land kommen auch wieder andere Gattungen vor. So sehen diejenigen Gattungen, welche den südlichen Teil eines Landes bewohnen, denen, welche den nördlichen Teil bewohnen, durchaus nicht ähnlich, wenn sie auch einer und derselben Art sind. Zum Beispiel eine Wasserhenne, welcher Vogel auf diesem Planeten sehr berühmt ist, sieht in den südlichen Gewässern bei weitem anders aus als in den nördlichen. Und so sind alle Vogelgattungen, sowohl zahme als nicht zahme, in ihrer Gestalt und Farbe und auch in ihrer Tauglichkeit verschieden - vom Süd bis zum Nord und vom Ost bis zum West eines und desselben Landes.

07] Da ihr aus dem bereits Gesagten sicher entnehmen könnt, daß es eine reine Unmöglichkeit für euch wäre, euer ganzes Leben hindurch nur mit der Niederschreibung der Namen dieser Tiere fertig zu werden, so wird es euch auch ersichtlich sein, daß es noch unmöglicher wäre, euch jeden einzelnen Vogel der Gattung nach zu beschreiben nach allen seinen Verrichtungen, nach seiner Form und nach seiner Bestimmung. Und so wollen wir aus dem befiederten Reich der Tiere nur einige der merkwürdigsten kurz darstellend deraus heben und nehmen sogleich den ersten und größten Vogel dieses Planeten vor und werden ihn mit einigen flüchtigen Blicken beschauen.

08] Behor oder das Luftschiff heißt unser Vogel. Ihr könnt es glauben, daß er, so er sich auf der Erde befinden würde, mehr Raum einnehmen möchte als das allergrößte Linienschiff, ohne daß er dabei nötig hätte, seine Flügel auszuspannen. Wenn dieser Vogel fliegt oder wenn er seine Flügel ausspannt, so sind nach eurem Maß die Spitzen der beiden äußersten Flügelfedern eine gute Stunde Weges voneinander entfernt. Die Kiele der Flügelfedern haben einen größeren Durchmesser als die dicksten Eichbäume auf eurer Erde. Und eine jede Feder am Flügel ist vom Kiele bis zur äußersten Spitze nicht selten bei achthundert Klafter lang. Dieser Vogel hat ebenfalls sehr lange und starke Füße, so zwar, daß wenn er auf seinen Füßen steht, dieselben für ihn fast ebenso etwas zu lang herauskommen wie bei einem Fischreiher auf eurer Erde. Warum hat denn aber dieser Vogel so unverhältnismäßig lange Beine? - Weil er ein Wasservogel ist und sich somit beständig in den Meeresgegenden aufhält, wo er sich von den Fischen nährt. Am Lande wird er niemals gesehen, sondern stets nur auf dem Wasser schwimmend oder nicht gar zu hoch über der Meeresfläche dahinfliegend, aus welchem Grunde er auch das »Fliegende Schiff« genannt wird.

09] Ist dieser Vogel etwa schön? - Nein, dieses Tier plagt die Schönheit nicht. Wenn ihr in eurer Phantasie euch einen Fischreiher vergrößern wollt, dann dürftet ihr so ziemlich die Gestalt unseres Fliegenden Schiffes euch vor Augen gestellt haben. Er ist durchgehend von aschgrauer und mitunter dunkelbrauner Farbe, hat einen Schnabel wie ungefähr eine Gans bei euch und so ziemlich auch einen ihr ähnlichen Kopf, nur natürlich verhältnismäßig größer. Denn einen Fisch, der in den Gewässern des Saturn so groß ist wie ein ausgewachsener Haifisch in einem eurer Meere, verschlingt dieser Vogel mit derselben Leichtigkeit wie ihr eine Erdbeere. Sonach hättet ihr die Gestalt dieses Vogels so kurz und so gut wie möglich dargestellt.

10] Nur dürfte vielleicht hier und da einer fragen, ob dieser riesige Vogel den Saturnbewohnern etwa ein gefährlicher Gast ist? - Nein, das ist er durchaus nicht, da er von sehr furchtsamer Natur ist und jede Annäherung des Menschen, sogar die eines Kindes, flieht. Seine Größe ist mehr eine Scheingröße als eine wirkliche Kraftgröße; denn nur seine reichlichen und viele Klafter langen Federn machen ihn so groß aussehend. Wäre er dieser beraubt, so dürfte er bei weitem nicht so viel wiegen wie die schwächste Frau dieses Planeten.

11] Somit hätten wir nun einen, und zwar den größten Vogel dieses Planeten, schon kennengelernt. Auch dieser Vogel ist in den einzelnen Meeren sehr verschieden an Größe wie auch an Farbe und Gestalt.


12] nach diesem Großvogel kommt als merkwürdigster Vogel des Saturn, einer unter dem Namen der Himmelsbote. Dieser Vogel hat die Gestalt und Farbe einer weißen Taube bei euch; nur ist er natürlicherweise um nahe fünfhundertmal so groß. Von diesem Vogel glauben die Saturnbewohner, daß er sich beständig in der Luft herumfliegend aufhalte, da ihn noch nie jemand irgendwo hat aufsitzen gesehen. In einer Hinsicht haben die Saturnbewohner wohl recht. Denn auf dem Lande sitzt der »Himmelsbote« auch wirklich nirgends auf, sondern fliegt bald hoch bald nieder ganz gemächlich in der Luft umher. Aber wenn er schließlich hungrig geworden ist, fliegt er mit großer Schnelligkeit den Meeresgegenden zu, wo er sich dann in den allerabseitigsten Winkeln der Meeresufer verbirgt und daselbst seine Nahrung sucht, welche in einer Art fetten, weißen Klippenmooses besteht.

13] Hat er sich nach kurzer Zeit gesättigt und gestärkt, dann fliegt er wieder auf, und zwar zu einer außerordentlichen Höhe, von wo aus er wieder seine Luftpromenade landeinwärts macht. Besonders pflegt er solches gerne am Morgen vor dem Aufgang der Sonne zu tun, aus welchem Grunde er auch in manchen Gegenden den Namen der Sonnenbote führt.

14] Dieser Vogel singt bei seinem Fluge die schönsten Lieder, und das in viel vollkommenerer Weise als bei euch eine Nachtigall. Daher wird er auch nicht selten, besonders von den Weibern, der muntere Morgensänger genannt.

15] Obschon dieser weiße Vogel besonders in den dem Meere näher gelegenen Länderteilen sehr häufig gesehen und gehört wird, so bleibt dennoch ein jeder Saturnbewohner gern stehen und sieht diesem Vogel so lange nach, bis er ihn der Ferne halber verloren hat. Denn die Saturnbewohner sind manchmal so erbaut vom Anblick dieses Vogels, daß sie sehr geneigt wären, ihm eine göttliche Verehrung zu erweisen, wenn das von den Geisterengeln dieses Planeten zugelassen würde.

16] Damit solches nicht geschieht, haben diese Vögel den angeborenen Instinkt, daß sie nichts so sehr meiden wie die Blicke der Menschen. Es darf daher ein Saturnmensch einen solchen Vogel nur ins Auge fassen, so kann er auch fest darauf rechnen, daß dieser Vogel sich bald seiner Schaulust entziehen wird. Aus eben diesem Grunde bewohnt dieser Vogel auch allezeit solche Stellen, die den Blicken der Saturnmenschen unzugänglich sind.

17] Das Beachtenswerteste dieses Vogels ist sein zuweilen außerordentlich schneller Flug, von dem ihr euch nicht mühelos einen Begriff machen könnt. Denn wenn er so recht im Zuge ist, da ist es ihm ein leichtes, in einer Stunde tausend eurer Erdmeilen zurückzulegen. - Wenn dieser Vogel bei der Nacht fliegt, ist er durchaus weißglänzend zu sehen, so zwar, daß er in seinem Schnellfluge fast dieselbe Erscheinung darbietet, wie bei euch auf der Erde ein sogenannter fliegender Drache (Es ist wohl eine Sternschnuppe gemeint). Über das Land fliegt er besonders gerne bei Nachtzeit, wo es dann für die Bewohner des Saturn ein Hauptschauspiel gibt. Ja manche Saturnmenschen sind so eingenommen für diese Lichterscheinungen, daß sie sich an jenen Orten, wo dieser Vogel häufig zu Hause ist, auf irgendeinem baumfreien Hügel mit dem Rücken niederlegen, um sich nur desto ungehinderter am Fluge solcher Vögel so recht satt sehen zu können.

18] Noch eine Merkwürdigkeit dieses Vogels besteht darin, daß, wenn zwei, drei oder mehrere Vögel in gerader Linie ihren Schnellflug ausführen, durch die schnelle Durchschneidung der Saturnluft ein ziemlich reiner Ton erzeugt wird. Wenn dann mehrere Vögel dieser Art nach einer und derselben Richtung hinschießen, bildet fast ein jeder Vogel einen anderen Ton. Und diese Töne bilden zusammen dann nicht selten (nach eurer Kunstsprache) einen Akkord, welcher vom pianissimo bis zum fortissimo und von da wieder ins pianissimo verschwindet, wie ein angeschlagener Ton oder Akkord auf einem Klavier.

19] Sehet, so hat dieser Vogel für die Saturnbewohner außerordentlich viel Anziehendes, da sie große Freunde des Gesanges und ganz besonders von harmonischen Akkorden sind, aber dessenungeachtet sind sie eben nicht zu sehr musikalisch. Sie haben auch nur höchst einfache, kunstlose Musikinstrumente, aber desto reinere Kehlen zum Gesang, wobei dann die Frauen gewöhnlich die Medien, die Männer aber nur Akkorde dazu singen. Die Sänger können sich mit einem glücklich erfundenen Akkord oft tagelang unterhalten.Denn sie haben nach einer Unterbrechung manchmal sehr viel Mühe, wieder einen guten Akkord zu finden. - Doch was dergleichen fernere saturnmenschliche Verhältnisse betrifft, wird alles am rechten Ort zudem noch deutlicher dargeboten werden. Da wir somit von unserem Himmelsboten, Sonnenvogel und Morgensänger nichts Erhebliches mehr berichten können, so wollen wir uns wieder zu einem anderen gefiederten Luftbewohner wenden.

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