Jakob Lorber: 'Robert Blum - Seine Erfahrungen und Führung im Jenseits'
196. Kapitel: Roberts und Helenas Ärger vor der Himmelspforte. Cados weiser Rat belehrt und beschämt sie. Durch die Pforte in die virtuelle Stadt Wien. (Am 26. Mai 1859)
Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber
Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag01] Spricht Robert: „Ja, mein geliebtester Freund! da steht mein Verstand noch immer wie ein Paar junger Ochsen am Berge! Wer sich da auskennt, der muß weiter her sein als ich. Wenn der Herr gesagt hätte: Dort vor jener Pforte, die in das vierte und größte Gemach deines Hauses führt, harret Meiner, bis Ich nachkomme, und euch öffne das Thor des Lebens! da wäre dieser Wartezustand ein natürlich erträglicher, und man könnte sich ein längeres Harren wohl ganz begreiflichermaßen gefallen lassen; aber so sprach der Herr doch ausdrücklich schon von einer offenen Thüre, und daß ich mit der Helena nur alsogleich voraus eilen solle, und gewisser Art mich darinnen umsehen, und für die Aufnahme und für den Empfang der Nachkommenden da sein solle, wie ich es wenigstens aus Seiner klaren Rede entnommen, und hauptsächlich aber sagte Er ausdrücklich von der hier nöthigen Eile wegen großwichtiger Dinge, die uns da erwarten, und von uns zu versehen und abzumachen seien.
02] Wir eilten nach aller Möglichkeit hierher voran, um dem Willen des Herrn ja pünktlichst nachzukommen. Wir kamen, fanden die Pforte aber unaufmachbar, und stehen nun schon eine allergeraumste Weile vor der verschlossenen. Frage: Was ist das? was heißt das? und warum denn das also? Wie gesagt: Wer sich da auskennt, der muß von sehr viel weiter irgend woher sein als ich. Das ist denn doch wahrlich etwas zu stark! Ich lasse mir wohl auf der Erde von dummen und aberwitzigen Menschen eine Erste-Aprilsendung gefallen; aber hier im Reiche reiner Geister, und namentlich vom Herrn Selbst sieht diese für mein Erkenntniß, wie es ist, barste Fopperei doch etwas sonderbar aus. Aber: ultra posse nemo tenetur; (von Niemand kann man übers Vermögen verlangen)
03] wir erfüllten bisher, soweit unsere Kräfte genügten, des Herrn Willen doch sicher vollkommen. Es geht nun nicht mehr weiter, und so bleiben wir denn auch hier stehen. Versorgt scheinen wir gerade mit allem zu sein, was uns noth thut; um's vierte Gemach aber werde ich mich von nun an sehr wenig zu kümmern anfangen. - Freilich heißt es, daß das Himmelreich Gewalt leide, und daß man es mit Gewalt an sich reißen muß, um es zu besitzen; aber kann man dem Himmelreiche wohl eine größere Gewalt anthun, als sie einem zu Gebote steht? Ich meine: das wäre eine Kunst aller Künste. Wir haben einmal unser Möglichstes geleistet, und es ging nicht; nun solle sich jemand Anderer daran machen, und sein Glück versuchen."
04] Spr. die Helena: „Schau! aber gerade dieser Meinung bin ich auch, was einmal durchaus nicht gehen will, davon wende man sich ab, und lasse es stehen."
05] Spricht Kado: „Meine Lieben! ihr rässoniret zwar recht, wie man sagt, vernünftig; aber demungeachtet kann ich mich eurer Meinung nicht anschließen, da ich an der Möglichkeit nicht zweifle, daß diese Pforte eröffnet werden könne. Haben wir denn schon alles versucht? Ich sage: Nein, das haben wir wahrlich nicht! Und so am Ende die Pforte doch offen wäre, und ihr sie nur darum nicht hättet eröffnen können, weil ihr höchst wahrscheinlich, wie es mir nun bei genauerer Betrachtung dieser Pforte ganz klar wird, sie umgekehrt zu eröffnen euch bestrebtet!
06] Ihr habt die Pforte nach öfterer Umdrehung des goldenen Schlüssels wohl mit aller Kraft h i n e i n drückend öffnen wollen, und ich selbst half euch, nach eurem Wollen und Erkennen und Begehren; denn ihr wisset, daß hier jede Hilfe sich darnach zu richten hat, wie der, dem sie werden solle, sie geleistet zu haben wünscht, indem das die Ordnung der Himmel bedingt; aber ich sehe den Irrthum recht gut ein, konnte ihn aber auch nicht eher aufdecken, als bis ihr nicht selbst durch ein gewisses Suchen, Bitten und Anklopfen dahinter gekommen sein dürftet. Ich habe euch zwar wohl auf diesen evangelischen Rath aufmerksam gemacht; aber ihr habt ihn nicht befolget, und so habt ihr auch die Entdeckung nicht machen können, daß diese Pforte nicht nach Innen hinein, sondern nur nach Außen heraus aufzumachen ist, und das aus dem ganz natürlichen Grunde, weil die Pforte auch das Himmelreich im kleinsten Maßstabe vorstellet, das man mit Gewalt an sich reißen,- nicht aber von sich hinwegschieben darf. Es ist aber ja natürlich schon so, daß, so man etwas haben will, man dasselbe zu sich nehmen, und gewisser Art an sich ziehen muß, nicht aber von sich hinweg schieben.
07] In den Himmeln ist einmal in allem und jedem, vom Kleinsten bis zum Größten dieselbe feste, unwandelbare Ordnung, der nirgends, und sei es in noch so was Unbedeutendem, wie es nur irgend etwas Unbedeutendes geben kann, dawider gehandelt werden darf; und so ist es auch beim Thoraufmachen. Ihr habt dieser Ordnung dawider gehandelt, und habt daher nichts ausgerichtet. Versuchet es nun, im Namen des Herrn ordnungsmäßig mit der Eröffnung dieser Pforte vorzugehen, und ihr werdet das sicher erreichen, was ihr schon lange hättet erreichen können."
08] Spricht R. Uraniel: „Aber liebster Freund, ich begreife nun meinen gewaltigsten Irrthum; aber etwas anderes begreife ich nicht, und das bist du, liebster Freund, selbst! Woher du solche Weisheit nimmst, vor der ich mit der meinen nun schon zu einer Blattmilbe herabsinke; ich sage: eine Weisheit, vor der sogar der tiefweiseste Cherub einen allergrößten Respekt haben müßte, so er sie hier an meiner Seite vernähme. Wahrlich, das ist mir ein Räthsel der Räthsel! - So der Herr hier wäre, so könnte Er mich unmöglich weiser belehren, als wie du mich nun belehret hast; wahrlich, das ist mir ein Räthsel der Räthsel!"
09] Spr. auch die Helena hinzu: „Ja, ja, das ist wahr, wie der Freund Kado weise ist, das ist wahrlich allen Himmeln ungleich. Er muß es aber auch sein, sonst hätte der Teufel keinen solchen Respekt vor ihm. O das hat der Freund schon auf jenem Hügel bewiesen, wo er dem Teufel der Teufel ganz kurios die Kurasche abgekauft hat. Wenn ich auch gerade nicht, wie der Miklosch immer hingesehen habe, so habe ich aber dennoch alles gesehen, was dort vorgegangen ist; und darum habe ich aber auch einen besonders großen Respekt vor dem Kado."
10] Spricht Kado: „Aber meine liebe Freundin! weißt du denn nicht, daß Kado eigentlich selbst ein Teufel war? - und daß sonach auf dem bewußten Hügel des Nordens ein Teufel dem andern in den Haaren lag?" - Spricht die Helena: „Wenn Kado jemals ein Teufel war, so war ich sicher desgleichen zehnfach; aber Kado war nie ein Teufel im Ernste, sondern vielleicht blos nur erscheinlich, um dem andern wahren Teufel desto mehr opponiren zu können; und das ist auch eine große Weisheit, die einem wahren Teufel darum unmöglich, weil in ihm keine Liebe wohnet."
11] "Bravo", sagt Kado! „das ist dir gut gelungen; so lange im Kado keine Liebe war, war in ihm auch keine Weisheit, wie aber Kado in sich die Liebe aufnahm, da belebte er auch die Weisheit, und kämpfte dann mit dieser Waffe wider den Teufel, eine Waffe, vor der jeder Teufel den größten Respekt hat.
12] Aber nun machet euch einmal an die Eröffnung der Pforte. Denn ich sehe dort in wohl noch sehr starker Ferne die ganze große Gesellschaft sich hierher bewegen; was wird sie sagen, so sie uns noch hier vor der uneröffneten Pforte treffen wird?"
13] Spricht Rob. Ur.: „Ich habe vor der Eröffnung dieser Pforte nur noch einen einzigen evangelischen Anstand, eben mit der Pforte selbst. Es heißt im Worte des Herrn ausdrücklich: Die Pforte aber, die in den Himmel führt, ist enge, ihr müsset durch die enge Pforte ziehen, so ihr in den Himmel kommen wollt, und ungefähr so weiter im Buche des Lebens. Betrachte aber diese Pforte, welche Höhe, und welche Breite? Meinst du wohl, daß dieß ein rechter Eingang in den Himmel ist?"
14] Spr. Kado: „Freund! du hast noch manche materielle Vorstellung vom Gottesworte! Bedeutet denn die enge Pforte im Evangelio nicht die Demuth des Herzens, und nicht eine wirkliche Thüre? Aber schaue doch! Oeffne sie nur, diese hohe Pforte; sie wird dir wohl auch noch etwas enge werden."
15] Spricht Robert Ur.: „Es ist doch wahrlich manchmal im hohen Grade merkwürdig, wie dumm man zuweilen wird; ja man wird manchmal wirklich dummer als ein Ochse! Denn ein Ochse bleibt denn doch vor einem Thore stehen, aber Unsereiner wollte sozusagen mit dem Kopfe sogleich durch die Mauer rennen. Und sieh', Bruder, ich war nun unbegreiflicherweise so dumm, und wollte diese Pforte stets hinein von mir weg aufmachen; als es mit leichter Mühe nicht gehen wollte, brauchte ich Gewalt, und als es auch mit aller Gewalt nicht ging, da ward ich sogleich verdrießlich, wollte meine Kleider nicht mehr, wünschte mir die Minerva her, auf daß sie mir ein wenig im Schimpfen unter die Arme greifen möchte. Aber daß es mir anstatt all dieser Dummheiten eingefallen wäre, daß die Pforte vielleicht herauswärts zu mir aufzumachen wäre; o von dem wäre mir ja nicht eine Silbe eingefallen! Gelt Helena! du wirst mit mir eine rechte Freude haben, weil ich so schön dumm bin wie zehn Ochsen auf einmal?"
16] Ah, das ist alles eins," spricht die nun schon wieder sehr munter aussehende Helena, „ich bin ja eben so dumm; hätte es mir ja doch auch einfallen können, was der Freund Kado uns gerathen hat, aber so man schon dumm ist, da ist man dann aber auch recht dumm. Zwar wissen wir Beide noch nicht als ganz bestimmt, ob die Pforte herwärts sich öffnen werde oder nicht; aber es ist dessenungeachtet schon dumm genug, daß wir Beide damit keinen Versuch gemacht haben. Nun aber gehe doch hin und versuche die Geschichte noch einmal, und zwar nach hineinwärts, dann aber erst, wie es dir der Freund Kado gerathen hat." - Spricht Robert: „Nein, nach hineinwärts versuch' ich's nimmer, aber nach heraus zu mir solle sogleich ein Versuch gemacht werden."
01] Spricht Robert: "Ja, mein geliebtester Freund, da steht mein Verstand noch immer wie ein Paar junge Ochsen am Berge! Wer sich da auskennt, der muß weiterher sein als ich. Wenn der Herr gesagt hätte: »Dort vor jener Pforte, die in das vierte und größte Gemach deines Hauses führt, harret Meiner bis Ich nachkomme und euch das Tor des Lebens öffne!« - da wäre dieser Wartezustand ein natürlich-erträglicher und man könnte sich ein längeres Harren wohl ganz begreiflichermaßen gefallen lassen. Aber es sprach der Herr, wie ich es wenigstens aus seiner klaren Rede entnommen habe, doch ausdrücklich schon von einer offenen Türe, und daß ich mit der Helena nur alsogleich vorauseilen und gewisserart mich darinnen umsehen soll und für die Aufnahme und den Empfang der Nachkommenden dasein möge! Und hauptsächlich aber sagte Er ausdrücklich von der hier nötigen Eile wegen großwichtiger Dinge, die uns da erwarten und von uns zu versehen und abzumachen seien.
02] Wir eilten nach aller Möglichkeit hierher voran, um den Willen des Herrn ja pünktlichst nachzukommen. Wir kamen, fanden die Pforte aber uneröffenbar und stehen nun schon eine geraume Weile vor dem verschloffenen Eingang. - Frage: was ist das? was heißt das, und warum denn das also? - Wie gesagt, wer sich da auskennt, der muß von sehr viel weiter sein als ich! Das ist denn doch wahrlich etwas zu stark! Ich lasse mir wohl auf der Erde von dummen und aberwitzigen Menschen eine Erste-April-Sendung gefallen; aber hier im Reiche reiner Geister, und namentlich vom Herrn Selbst, sieht diese für meine Erkenntnis barste Fopperei doch etwas sonderbar aus! Aber von niemand kann man übers Vermögen verlangen!
03] Wir erfüllten bisher, soweit unsere Kräfte genügten, des Herrn Willen doch sicher vollkommen. Es geht nun nicht mehr weiter, und so bleiben wir denn hier auch stehen! Versorgt scheinen wir gerade mit allem zu sein, was uns not tut. Ums vierte Gemach aber werde ich mich von nun an sehr wenig kümmern! - Freilich heißt es, daß das Himmelreich Gewalt leide, und daß man es mit Gewalt an sich reißen muß, um es zu besitzen. Aber kann man dem Himmelreiche wohl eine größere Gewalt antun, als sie einem zu Gebote steht? Ich meine, das wäre eine Kunst aller Künste! Wir haben einmal unser Möglichstes geleistet, und es ging nicht. Nun soll sich jemand anders daran machen und sein Glück versuchen!"04] Spricht Helena: "Schau, gerade dieser Meinung bin auch ich! Was einmal durchaus nicht gehen will, davon wende man sich ab und lasse es stehen!"
05] Spricht Cado: "Meine Lieben, ihr urteilt und redet zwar, wie man sagt, recht vernünftig; aber demungeachtet kann ich mich eurer Meinung nicht anschließen, da ich an der Möglichkeit nicht zweifle, daß diese Pforte eröffnet werden kann. - Haben wir denn schon alles versucht? - Ich sage: Nein, das haben wir wahrlich nicht! Wenn nun am Ende die Pforte doch offen wäre und ihr sie nur darum nicht hättet eröffnen können, weil ihr, wie es mir nun bei genauerer Betrachtung ganz klar wird, sie umgekehrt zu eröffnen euch bestrebtet!?
06] Ihr habt die Pforte nach öfterer Umdrehung des goldenen Schlüssels wohl mit aller Kraft hineindrückend öffnen wollen. Ich selbst half euch, nach euer Erkennen, wollen und Begehren, denn ihr wisset, daß hier jede Hilfe sich darnach zu richten hat, wie der, dem sie werden soll, sie zu haben wünscht - da dies die Ordnung des Himmel bedingt. Ich aber sah den Irrtum recht gut ein, konnte ihn euch aber nicht eher aufdecken, als bis ihr selbst durch ein gewisses Suchen, Bitten und Anklopfen dahintergekommen sein dürftet. Ich habe euch zwar wohl auf diesen evangelischen Rat aufmerksam gemacht; aber ihr habt ihn nicht befolgt, und so habt ihr auch die Entdeckung nicht machen können, daß diese Pforte nicht nach innen hinein, sondern nur nach außen aufzumachen ist, und das aus dem ganz natürlichen Grunde, weil auch die Pforte im kleinsten Maßstabe das Himmelreich vorstellt, das man mit Gewalt an sich reißen, nicht aber von sich hinwegschieben darf! Ist es ja doch schon im natürlichen Sinne so, daß man, so man etwas haben will, dasselbe zu sich nehmen und gewisserart an sich ziehen muß, nicht aber von sich hinwegschieben darf.07] In den Himmeln ist nun einmal in alles und jedem vom Kleinsten bis zum Größten dieselbe feste, unwandelbare Ordnung, der nirgends, und sei es in noch so etwas unbedeutendem, zuwidergehandelt werden darf, und so ist es auch beim Torausmachen! Ihr habt dieser Ordnung zuwidergehandelt und habt daher nichts ausgerichtet. Versuchet nun, im Namen des Herrn ordnungsmäßig mit der Eröffnung dieser Pforte vorzugehen, und ihr werdet sicher erreichen, was ihr schon lange hättet erreichen können!"
08] Spricht Robert: "Liebster Freund, ich begreife nun meinen gewaltigen Irrtum! Aber etwas anderes begreife ich nicht, und das bist du, liebster Freund, selbst! Woher du solche Weisheit nimmst, vor der ich mit der meinen nun schon zu einer Blattmilbe herabsinke!? Ich sage: eine Weisheit, vor der sogar der tiefweiseste Cherub einen größten Respekt haben müßte, so er sie hier an meiner Seite vernähme! Wahrlich, das ist mir ein Rätsel der Rätsel! - So der Herr hier wäre, so könnte Er mich unmöglich weiser belehren, als du mich nun belehrt hast! Wahrlich, das ist mir ein Rätsel der Rätsel!"09] Spricht auch die Helena: "Ja, ja, das ist wahr! Wie der Freund Cado weise ist - das ist wahrlich allen Himmeln unfaßlich! Er muß es aber auch sein, sonst hätte der Teufel keinen solchen Respekt vor ihm! O das hat der Freund schon auf jenem Hügel bewiesen, wo er dem Teufel der Teufel ganz kurios die Courage abgekauft hat! Wenn ich auch gerade nicht, wie der Miklosch, immer hingesehen habe, so habe ich aber dennoch alles gesehen, was dort vorgegangen ist, und darum habe ich aber auch eine besonders große Hochachtung vor dem Cado."
10] Spricht Cado: "Aber meine liebe Freundin, weißt du denn nicht, daß Cado eigentlich selbst ein Teufel war?! - und daß sonach auf dem bewußten Hügel des Nordens ein Teufel dem anderen in den Haaren lag?!" Spricht die Helena: "Wenn Cado jemals ein Teufel war, so war ich sicher desgleichen zehnfach, aber Cado war nie im Ernste ein Teufel, sondern vielleicht bloß nur erscheinlich - um den anderen wahren Teufeln desto mehr entgegentreten zu können! Und das ist auch eine große Weisheit, die einem wahren Teufel darum unmöglich ist, weil in ihm keine Liebe wohnet."
11] Bravo!", sagt Cado, "das ist dir gut gelungen! Solange im Cado keine Liebe war, war in ihm auch keine Weisheit. In dem Maße aber, wie Cado in sich die Liebe aufnahm, belebte er auch die Weisheit und kämpfte dann mit dieser Waffe wider den Teufel - eine Waffe, vor der jeder Teufel den größten Respekt hat.
12] Aber nun machet euch einmal an die Eröffnung der Pforte! Denn ich sehe dort in wohl noch sehr starker Ferne die ganze große Gesellschaft sich hierher bewegen. Was wird sie sagen, so sie uns noch hier vor der uneröffneten Pforte treffen wird?!"
13] Spricht Robert: "Ich habe vor der Eröffnung dieser Pforte nur noch einen einzigen evangelischen Anstand - eben bezüglich der Pforte selbst! - Es heißt im Worte des Herrn ausdrücklich: »Die Pforte aber, die in den Himmel führt, ist enge. Ihr müsset durch die enge Pforte ziehen, so ihr in den Himmel kommen wollt!« und ungefähr so weiter im Buche des Lebens. Betrachte aber diese Pforte, welche Höhe und welche Breite! Meinst du wohl, daß dies ein rechter Eingang in den Himmel ist?!"
14] Spricht Cado: "Freund, du hast noch manche materielle Vorstellung vom Gottesworte! Bedeutet denn die enge Pforte im Evangelium nicht die Demut des Herzens!? Und nicht eine wirkliche Türe?! - Aber schaue doch! Öffne sie nur, diese hohe Pforte! Sie wird dir wohl auch noch etwas enge werden!"
15] Spricht Robert: "Es ist doch wahrlich manchmal in hohem Grade merkwürdig, wie dumm man zuweilen wird! Ja man wird manchmal wirklich dümmer als ein Ochse! Denn ein Ochse bleibt denn doch vor einem Tore stehen, aber unsereiner wollte sozusagen mit dem Kopfe sogleich durch die Mauer rennen! - Denn sieh, Bruder, ich war unbegreiflicherweise so dumm und wollte diese Pforte stets hineinwärts, von mir weg, aufmachen. Als es mit leichter Mühe nicht gehen wollte, brauchte ich Gewalt. Und als es auch mit aller Gewalt nicht ging, da ward ich sogleich verdrießlich, wollte meine Kleider nicht mehr, wünschte mir die Minerva her, auf daß sie mir ein wenig im Schimpfen unter die Arme greifen möchte. Aber daß es mir anstatt all dieser Dummheiten eingefallen wäre, daß die Pforte vielleicht zu mir herwärts aufzumachen sei, o von dem ist mir nicht eine Silbe eingefallen! Nicht, Helena, du wirst mit mir eine rechte Freude haben, weil ich so schön dumm bin wie zehn Ochsen auf einmal?!"
16] Ah, das ist alles eins!", spricht die nun schon wieder sehr munter aussehende Helena, "ich bin ja ebenso dumm! Hätte es mir ja doch auch einfallen können, was Freund Cado uns geraten hat. Aber so man schon dumm ist, da ist man dann (gewöhnlich) auch recht dumm! - Zwar wissen wir beide noch nicht bestimmt, ob die Pforte (auch wirklich) sich herwärts öffnen werde. Aber es ist dessenungeachtet schon dumm genug, daß wir beide (noch) keinen Versuch damit gemacht haben! - Nun aber gehe doch hin und versuche die Geschichte, und zwar noch einmal nach hineinwärts - und dann erst, wie es dir der Freund Cado geraten hat!" Spricht Robert: "Nein, nach hineinwärts versuche ich's nimmer! Aber nach heraus zu mir soll sogleich ein Versuch gemacht werden!"