Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


135. Kapitel: Das Mahl im Hause Josephs. Des Kindleins Eröffnung über das bevorstehende Attentat auf Cyrenius. Des Cyrenius Heimkehr. Die Löwen als Nachtwache. Der Überfall. Das Gottesgericht über die Attentäer. (07.02.1844)

01] Nach dieser Beredung verließen die drei Löwen den Cyrenius wieder und zogen sich in ihre Karrenschuppen zurück.

02] Cyrenius wollte zwar noch so manches über diese Erscheinung mit Joseph sprechen, aber es kamen so eben die Söhne Josephs und zeigten ihm an, daß das Mahl bereitet und der Tisch bestellt sei.

03] Und Joseph lud daher sogleich die ganze Gesellschaft ein, in das Speisegemach zu treten und sich zu stärken am Tische mit Speise und Trank.

04] Auf diese Einladung begab sich nun alles in das Speisegemach und aß die gesegneten Speisen und stillte sich den Durst mit Wasser und etwas Zitronensaft.

05] Nach der Mahlzeit, die bei einer Stunde gedauert hatte, dankte Joseph Gott und segnete alle die hier anwesenden Gäste.

06] Das Kindlein aber verlangte den Cyrenius zu Sich; und als dieser in der höchsten Demut sich Diesem näherte, sprach Es zu ihm:

07] »Cyrenius, heute in der Nacht wirst du von einer kleinen verräterischen Rotte überfallen werden in deinem Schlafgemache.

08] Ich aber gebe dir darum die drei Löwen mit; diese laß im Gemache bei dir, wie sie dir folgen werden!

09] Wenn die verräterische Horde in dein Gemach treten wird, da wird sie plötzlich von den drei Löwen auf das grimmigste angefallen und zerrissen werden;

10] dir aber wird dabei kein Haar gekrümmt werden! Scheue dich aber nicht vor den drei Löwen; denn diese erkennen in dir vollkommen ihren Herrn!«

11] Inbrünstigst dankte Cyrenius dem Kindlein in seinem Herzen und überhäufte Es mit vielen Küssen desgleichen auch sein Weib, die Tullia, die aber nichts wußte, was das Kindlein ehedem mit dem Cyrenius geredet hatte.

12] Und als es schon ziemlich Abend geworden war, da brach Cyrenius mit seiner ganzen Gesellschaft auf, wiederholte noch einmal seine Einladung auf den nächsten Tag und begab sich dann gesegnet in die Stadt.

13] Als er aber seinen Fuß über die Hausflur gesetzt hatte, da waren auch die drei Löwen schon bei der Hand und begleiteten den Cyrenius festweg in seine Wohnung.

14] Und als er da sich auf sein Lager mit der Tullia begab, da umlagerten die Löwen dasselbe, ihre leuchtenden Augen auf die Eingangstüre unverwandt richtend.

15] Es gingen die Diener des Cyrenius noch öfter aus und ein; aber die Löwen achteten ihrer nicht.

16] Es war aber um die zweite Nachtwache, da kamen zwanzig vermummte Männer ganz leisen Trittes ins Gemach des Cyrenius und nahten sich ganz leise dem Schlaflager desselben.

17] Als sie aber kaum mehr fünf Schritte vom Lager entfernt standen und ihre Dolche hervorzogen,

18] da stürzten auf einmal die drei Löwen unter dem furchtbarsten Gebrülle auf sie los und zerrissen sie in wenigen Augenblicken in Stücke, und nicht einer entkam diesem Angriffe.

19] Denn auf so einen Angriff war keiner gefaßt; bei dem ersten Ansprunge geriet alles in die größte Angst und Verwirrung und dachte an keine Verteidigung.

20] Aus dem Grunde fand auch keiner den Rückweg und ward somit eine Beute der Wut der Löwen.

21] Und so ward Cyrenius in dieser Nacht wunderbar durch die drei Löwen gerettet und staunte am nächsten Tage morgens nicht wenig, als er der zerrissenen Leichen im Zimmer ansichtig ward.



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