Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


54. Kapitel: Josephs bange Frage an Cyrenius wegen der Anwesenheit des Maronius Pilla. Des Cyrenius beruhigende Antwort. Die Ankunft im Landhaus Josephs. (27.10.1843)

01] Dem Joseph aber war alles recht, und er lobte in seinem Herzen auch Gott den Herrn inbrünstig für diese überglückliche Wendung seiner ängstlichen Besorgnis.

02] Aber dennoch genierte ihn ein wenig der Maronius; denn er wußte noch immer nicht, was denn so ganz eigentlich dieser Freund des Herodes hier mache.

03] Daher nahte er sich noch auf dem Wege ganz unvermerkt dem Cyrenius und fragte ihn etwas leise:

04] »Edelster Freund der Menschen! Ist dieser Held, der da vor dir zieht, nicht der Maronius von Jerusalem?

05] Wenn er es ist, dieser Freund des Herodes, was macht er wohl hier?

06] Sollte er etwa irgend Wind von mir erhalten haben und will mich hier aufsuchen und gefangennehmen?

07] O edelster Freund der Menschen, belasse mich nicht länger in dieser bangen Ungewißheit!«

08] Cyrenius aber ergriff die Hand Josephs und sagte ebenfalls ganz leise zu ihm:

09] O du mein liebster, erhabenster Freund, fürchte dich vor dem im Ernste wirklich gewesenen Landpfleger von Jerusalem ja nicht im geringsten!

10] Denn heute noch sollst du dich selbst überzeugen, daß er einen bei weitem größeren Grund hat, sich vor dir zu fürchten, als du vor ihm!

11] Denn siehe, er ist nun nimmer Landpfleger in Jerusalem, sondern er ist nun, wie du ihn siehst, mein barster Gefangener und wird seine Stelle nicht eher wieder einnehmen, als bis er vollkommen geheilt sein wird!

12] Ich habe ihn aber gerade deintwegen mitgenommen; denn als ich ihn verhörte der Greueltat in Palästina wegen,

13] da gab er vor, dich und die Maria persönlich zu kennen! Wie es sich aber jetzt zeigt, so kennt er weder dich noch dein Weib Maria!

14] Und das ist schon ein sehr gutes Wasser auf unsere Mühle.

15] Er weiß aber keine Silbe, daß du hier bist; darum mußt du dich auch nirgends verraten!

16] Denn er erwartet hier nur einen überweisen Mann, der ihm seine Eingeweide enthüllen wird,

17] und das ist kein anderer als du selbst! Denn darum habe ich ihn nach meiner Aussage mitgenommen, daß er in dir den weisen Mann soll kennen und zu seinem Besten verkosten lernen.

18] Er fürchtet dich daher schon im voraus ganz entsetzlich und ist, nach seinem sehr blassen Aussehen zu schließen, schon sicher der Meinung, daß du der von mir erwählte Mann sein wirst!

19] Aus diesem wenigen kannst du vorderhand dich schon ganz beruhigen; die Folge aber wird dir dieses alles ins klarste Licht setzen!«

20] Als Joseph solches von Cyrenius vernommen hatte, da ward er überfroh, unterrichtete heimlich die Maria und den ältesten Sohn, wie sie sich gegen den Maronius zu benehmen haben, damit da ja nichts von dem Plane des Cyrenius irgend verraten werden möchte. Und so wurde vorsichtigen Schrittes auch die Villa erreicht und daselbst das Mahl bereitet, wie es schon bekanntgegeben wurde.



voriges Kapitel Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers nächstes Kapitel