Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


83. Kapitel: Die Blindheit, Ehrfurcht und Fluchtgedanken der drei Götzenpriester. Des Jesuskindleins weise Verhaltungsregeln an Joseph und Cyrenius. (02.12.1843)

01] Nachdem aber die Mahlzeit vorüber war und alles sich wieder vom Tische erhoben hatte, da trat einer der Priester hin zu Joseph und fragte ihn in tiefster Demut:

02] »Uranus oder doch wenigstens Saturnus als Vater des Zeus! Denn das bist du sicher leibhaftig; obschon du deine Göttlichkeit ehedem in der Stadt vor uns zu verbergen dich bestrebtest,

03] so tatest du solches aber dennoch, um uns zu prüfen, ob wir dich im Ernste erkennten oder nicht.

04] Nur eine Zeitlang verkannten wir dich, und darum bitten wir dich um Vergebung unserer großen Blindheit.

05] Die ehemalige Sprache deines Kindes aber hat uns allen ein Licht angezündet, und wir wissen nun genau, wo wir uns befinden.

06] O mache uns daher sogestaltig glücklich, daß du uns kundgäbest, wie wir ein Opfer bringen sollen, wie deinem göttlichen Weibe und wie deinem Kinde, dem sich sicher durch deine Allmacht verjüngenden Zeus!«

07] Joseph aber erstaunte über diese plötzliche Veränderung der drei Priester, denen er doch früher in der Stadt den Irrgrund ihres Heidentums klar und wohlbegreiflich auseinandergesetzt hatte.

08] Er sann daher nach, was er ihnen nun antworten solle. - Aber das Kindlein verlangte sogleich hin zu Joseph;

09] und als Es dort anlangte auf den Armen Jakobs, sprach es sogleich zu Joseph:

10] »Laß du diese Armen und verweise es ihnen nicht; denn sie sind blind und schlafen und träumen!

11] Behalte sie aber einige Tage hier, und Meine Brüder werden sie schon aus ihrem Schlafe und Traume erwecken! Wenn sie sehen werden, wie ihr selbst zu Gott betet, da werden sie ihren Uranus, Saturnus und Zeus schon fahren lassen!«

12] Diese Worte beruhigten den Joseph vollkommen, und er machte sogleich den drei Priestern den Vorschlag, unterdessen unter seinem Dache zu wohnen, bis sich mit ihnen irgendeine versorgliche Bestimmung treffen werde.

13] Die drei Priester aber, sich kaum zu atmen getrauend vor lauter Ehrfurcht, getrauten sich um so weniger den Vorschlag abzulehnen, indem sie nun durchaus nicht wußten, wie sie so ganz eigentlich daran seien.

14] Sie nahmen sonach den Vorschlag an; aber unter sich murmelten sie:

15] »Ach, wäre es hier möglich, davonzulaufen und sich in irgendeinem letzten Winkel der Erde zu verkriechen, wie glücklich wären wir da!

16] Aber so müssen wir hier verbleiben im Angesichte der offenbaren Hauptgötter. O welche Qual ist das für uns Nichtswürdigste!«

17] Cyrenius aber merkte solche Murmelei unter den dreien, trat daher hin und wollte sie darob zur Rede stellen.

18] Das Kindlein aber sprach: »Mein Cyrenius, bleibe zurück; denn Mir ist es nicht unbekannt, was in den dreien vorgeht.

19] Ihr Plan ist die Frucht ihrer Blindheit und ihrer törichten Furcht und führt nichts anderes im Schilde, als eine Flucht vor uns in irgend einen allerentferntesten Erdenwinkel.

20] Siehe, das ist alles, und darum brauchst du dich nicht gleich so zu ereifern!

21] Laß hier in diesem Hause nur das Gericht über, und sei versichert, daß da niemandem ein Unrecht geschehen wird!«

22] Und Cyrenius ward damit zufrieden und begab sich mit Joseph in das Freie wieder; die drei Priester aber begaben sich in ihr angewiesenes Gemach.



voriges Kapitel Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers nächstes Kapitel