Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


35. Kapitel: Josephs Familie bei Cyrenius; Götzenbildvernichtung durch Jesus (28.09.1843)

01] Und Joseph ging hinaus und führte seine Familie vor das Haus, da Cyrenius wohnte, und dieser befahl sogleich seiner Dienerschaft, Josephs Lasttiere zu versorgen,

02] und führte den Joseph mit Maria und den fünf Söhnen in sein vorzüglichstes Gemach, in dem alles von Edelsteinen, Gold und Silber strotzte.

03] Es standen aber da auf einem weißen, feinst polierten marmornen Tische eine Menge etwa einen Schuh hohe Statuen, aus korinthischem Erze gar wohl geformt.

04] Und Joseph fragte den Landpfleger, was diese Figuren wohl darstellten.

05] Der Landpfleger aber sagte gar freundlich: »Guter Mann, siehe, das sind unsere Götter! Wir müssen sie halten und kaufen von Rom gesetzmäßig, wenn wir auch keinen Glauben daran haben.

06] Ich betrachte sie bloß nur als Kunstwerke, und darin liegt auch einzig irgendein kleiner Wert für mich in diesen Götterfiguren; sonst aber muß ich sie nur allezeit mit der begründetsten Verachtung ansehen.«

07] Und Joseph fragte darauf den Cyrenius: »Höre, wenn du also denkst, so bist du ja ein Mensch ohne Gott und ohne Religion! Beunruhigt dir denn das nicht dein Gewissen?«

08] Und Cyrenius sprach: »Nicht im geringsten; denn wenn es keinen andern Gott gibt, als diese erzenen da sind, da ist ja ein jeder Mensch mehr Gott als dieses dumme Erz, in dem kein Leben ist! Ich aber meine, es gibt irgendeinen wahren Gott, der ewig lebendig ist und allmächtig, darum verachte ich solchen alten Unsinn!«

09] Es war aber Cyrenius auch ein großer Kinderfreund und näherte sich darum der Maria, welche das Kind auf ihren Armen hielt, und fragte die Mutter, ob sie nicht müde sei ob der beständigen Tragung des Kindes.

10] Und Maria sprach: »O mächtiger Herr des Landes! Freilich wohl bin ich schon gar sehr müde; aber meine große Liebe zu diesem meine Kinde macht mich alle Ermüdung vergessen!«

11] Und der Landpfleger erwiderte der Maria: »Siehe, auch ich bin ein großer Kinderfreund, bin vermählt wohl, aber die Natur oder Gott haben mich noch mit keiner Nachkommenschaft gesegnet; daher pflege ich fremde Kinder - sogar die der Sklaven - nicht selten zu mir zu nehmen an Kindesstelle!

12] Ich will damit aber nicht sagen, als solltest du mir auch das deinige geben; denn es ist ja dein Leben.

13] Aber bitten möchte ich dich, daß du es mir auf meine Arme legen möchtest, auf daß ich es herzete und kosete ein wenig nur!«

14] Da Maria in dem Landpfleger solche Herzlichkeit fand, sprach sie: »Wer deines Herzens ist, der mag wohl dies mein Kindlein auf seine Arme nehmen!«

15] Hier übergab Maria das Kindlein dem Landpfleger zur Kosung, - und als der Landpfleger das Kindlein auf seine Arme nahm, da bemächtigte sich seiner ein so wonnigstes Gefühl, das er noch nie empfunden hatte.

16] Und er trug das Kindlein im Saale hin und her und kam mit Ihm auch dem Göttertische nahe.

17] Diese Annäherung aber kostete sogleich allen den Götzenstatuen das Dasein, denn sie zerrannen wie Wachs auf glühendem Eisen.

18] Darob entsetzte sich Cyrenius und sprach: »Was ist denn das? - Das harte Erz zerfloß so ganz und gar, daß von ihm aber auch nicht eine Spur zurückgeblieben ist! - Du weiser Mann aus Palästina, erkläre mir doch das! - Bist du ein Magier denn?«


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