Jesus Christus: 'Himmelsgaben', Band 3, S. 348


06] Es war unter ihnen von alters her Sitte und Gebrauchsform: So jemand zu einer Zeit, da er gewöhnlich kein Geld hatte und auch keine verkaufbaren Haustiere, aber dennoch eines Rockes oder Mantels oder beider Kleidungsstücke zugleich bedurfte, so ging er zu einem oder dem andern Kleidermacher seiner Gemeinde oder Ortes hin, stellte ihm seine Lage vor und bestimmte ihm den Zahlungstermin.

07] Nun geschah es aber sehr häufig, daß so mancher seinen Zahlungstermin entweder nicht einhalten konnte oder gar oft auch nicht wollte. Und der Rock- und Mantelsteller war zwar verpflichtet, noch bis zu einem nächsten - zweiten, ja sogar bis zum dritten und letzten Termin, aber gegen ein kleines Interesse, zu warten, bis endlich der dritte und letzte Termin verflossen. Nach dem dritten Termin hatte der Rock- und Mantelsteller das Recht, das Bedungene von dem zu verlangen, dem er den Mantel und Rock gestellt hatte; und da ging es vor einem Richter oft nicht selten sehr hitzig her. Der Rocksteller wollte sein Bedungenes; der Besitzer des Rockes und des Mantels aber brachte allerlei Gründe vor, nach denen er auch nach dem abgelaufenen dritten Termin seinen Gläubiger nicht befriedigen könne.

08] Für diesen Fall bestand bei den Juden ein Gesetz, daß im Falle einer wirklichen Zahlungsunfähigkeit die Gemeinde verpflichtet war, den Kleidungssteller zu entschädigen und ihn dadurch erwerbsfähig zu erhalten. Sie hatte dafür aber das Recht, mit der Zeit sich an dem zahlungsunfähigen Gemeinde-Insassen zu entschädigen, so sie gewahr wurde, daß dieser zahlungsfähig geworden ist, was aber unter zehn solcher Schuldner oft kaum einer werden wollte und für seine permanente Zahlungsunfähigkeit allerlei Gründe vor die Gemeinde zu bringen verstand.

09] Dadurch kam es oft zu jahrelangen Streitigkeiten in einer solchen Gemeinde, und Ich wurde einmal darüber befragt, was da Rechtens wäre, um solchen Übeln zu begegnen. Und da eben sagte Ich: Das beste und wirksamste Mittel bestehe darin, erstens nach dem Gesetze Mosis vollkommen redlich und ehrlich sein, nach dem niemand etwas begehren oder verlangen solle, was seines Nächsten ist. Da es sich aber um das Rechten eines Rockes wegen handelt, so möge das für den Schuldner und den Gläubiger gelten: zum wenigsten ein- bis zweimal lieber den Rock - und am Ende auch noch den Mantel hinzu - zu lassen, als die ganze Gemeinde in viele unnütze Streitigkeiten und Zwistigkeiten zu verleiten.



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