Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 3, Seite 134


04] Was ist sonach bei den Menschen der Johannes? Der Johannes bei den Menschen ist das eigentliche, recht gestaltete Ich oder das Leben des Fleisches, wenn der Geist und die Seele noch nicht für sich, sondern für das Fleisch leben. Es würde hier freilich wohl manchen bedünken können: solches Leben kann doch unmöglich ein rechtes, Mir wohlgefälliges Leben sein. Allein es ist in der Natur und Ordnung aller Dinge nicht anders möglich. Um diese Wahrheit vollends zu erkennen, darf jeder nur seine Augen selbst zu der Pflanzenwelt hinwenden, und er wird das Ich und das Er gar deutlich ersehen.

05] Betrachtet was immer für eine Blüte, was wird wohl aus der Frucht werden, so die Blüte nicht abnimmt und verwelkt? Seht hier das Ich und das Er. Wenn ferner die Blüte schon ganz abgefallen ist und der Leib der Frucht oder die eigentliche Schale, in welcher die Frucht verborgen liegt, zunimmt und wächst, da ist von der eigentlichen inwendigen Frucht, in welcher das Er eingeschlossen ist, noch immer wenig zu sehen. Wenn aber die Schale als dieser zweite Leib auch anfängt abzunehmen, also daß er verdorrt und somit tot wird, dann erst wächst und reift in dem Verhältnisse, wie das äußere Ich abnimmt, das innere Er, welches ist die lebendige Frucht.

06] Seht nun, daß hier zuvor das Leben der Seele und des Geistes nach außen wirken mußte, habt ihr bei der Blüte und der nachherigen Fruchtschale gesehen; daß es aber bei diesem Leben nach außen nicht zu verbleiben hat, mochtet ihr ja wohl bemerkt haben an dem Vergehen der Blüte und endlich auch dem der Schale. So jemand dieses Gleichnis recht auffaßt, so wird er den Johannes wohl nicht gar zu schwer in sich finden.

07] Seht, solches aber ist der Johannes: So jemand liest das Wort vom Anfang bis zum Ende, da hat er es doch zuvor gelesen mit den Augen, dann mit dem Munde und also auch mit den Ohren. Seht, so er das mit großer Aufmerksamkeit getan hat, da waren ja Seele und Geist nach außen gerichtet und achteten auf das Fleisch, wie dieses das Wort dem Buchstaben nach in sich aufnahm. Seht, ist das nicht die Blüte? Was geschieht aber hernach, so das Wort schon gelesen wurde? Seht nur eine Blüte an, so da anfängt ein Frühlingshauch ihre Kelche langsam zu bewegen. Fallen da nicht die befruchtenden Stäublein von den äußeren männlichen Blütenfäden auf die weibliche Blütenfaser, wodurch dann erst der neue Lebenskeim zur Bildung der eigentlichen inneren Frucht in die kaum sichtbare Entstehung der Schale gelegt wird?



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