Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


18] Aber nun fragt sich's: Was will geistig dieses alles besagen - oder was habe Ich euch damit sagen wollen? - Einer von euch hat schon gestern beim Anblicke dieses nachbarlichen Berges, als er dessen Brust umhüllt sah, gesagt: »Mit der Liebe, da hapert's denn noch immer!« - Ja, es ist wahr, es hapert da noch recht stark! Es kann aber auch nicht leichtlich anders sein, das sehe Ich wohl ein. Denn der Mensch kann sich nicht so schnell in seiner Natur umkehren, wie die Wäscherin einen Strumpf umkehrt. Aber nach und nach bei festem und gutem Willen und Meiner beständigen, starken Mithilfe wird sich schon alles fein geben.

19] Und obschon es also, wie gesagt, mit der Liebe noch hapert, so hat aber doch das gestrige Bild nicht die »Haperei der Liebe«, sondern etwas ganz anderes angezeigt.

20] Denn seht, es ist ein Unterschied, ob die Nebel aus der Tiefe, aus den Gräben und Schluchten der Berge sich entwickeln und emporsteigen und dann vom Nordwinde geführt, die Brust dicht umlagern, während der Scheitel frei bleibt - oder ob solche Nebel aus der Brust des Berges hervorkommen, eine ganze Legion von anderwärtig entstandenen gleichartigen Wölkchen an sich ziehen und dann in solcher Vereinigung den Scheitel gefangennehmen.

21] Damit ihr aber dies begreifet, so fangen wir bei Punkt eins an. Der »Schöckel« bedeutet bei jedem Menschen sein eigenes Naturmäßiges - so sich der Mensch, vermöge seiner »nördlichen« (d.h. widrigen Lebens)-Stellung in sich selbst zu demütigen angefangen hat. Denn wie dieser Berg zwar an und für sich immerwährend ein hoher Berg ist, so ist er aber doch in Anbetracht seiner hohen Nachbarn nicht viel mehr als nur ein Hügel. Und wie er allezeit sich demütigen muß, sobald jemand eine Parallele über seinen Scheitel hinweg zu seinen Nachbarn zieht, ebenso beginnt auch die Demut bei dem Menschen, wenn er die hohe Welt neben sich erblickt und sich dabei sagt:

22] »Auch ich bin ein Mensch - warum sind diese Menschen höher denn ich? Kann ich nicht werden wie sie, so will ich aber doch sein, was sie nicht sind und auch nicht leichtlich werden können - d.h. ich will demütig sein und will in meiner Demut mein inneres Feuer der Liebe werktätig anschüren. Und wenn dasselbe zu brennen anfangen wird, dann werden all die bösen Dünste durch das innere Feuer hinausgetrieben und werden nach und nach bedecken meine Höhe, damit sie nicht von einem Hohen mit ärgerlichen Augen erschaut werden möchte.«



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