Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


13] Seht, für solche sollt ihr zunächst beten mit Rat und Tat, leuchtend vor ihnen wie eine Sonne dem müden Wanderer durch Sand und Wüsten, und sie erquickend gleich dem reichlich auf das dürre Moos des harten Gesteins gefallenen Tau - damit sie sich wieder finden möchten an euch als den Grenzmarken Meiner Gnade und genesen möchten an dem Moose Meiner Gnade, das da reichlich überzogen hat auch Meine Grenzsteine.«

14] Da habt ihr, für wen, wie und warum ihr beten sollt! - Es soll eure Liebe zu Mir und euren Brüdern allezeit das vornehmste Gebet sein. - Wie und warum? soll euch ein kleines Beispiel klärlich zeigen:

15] »Seht, irgendein großer, mächtiger Herr hatte in seinem Kerker mehrere Gefangene, die ihn zwar sehr dauerten, da sie lauter arme Verführte waren. Doch aber konnte er in seiner Gerechtigkeit das einmal gegebene Gesetz nicht aufheben und sie dadurch von der Strafe befreien, die das Gesetz über sie verhängt hatte. Als sie nun aber schon lange genug in den Kerkern der Besserung geschmachtet und dadurch den heiligen Anforderungen des Gesetzes genügt hatten, da beschloß der Herr, sie wieder frei zu geben. Allein er gedachte bei sich: »Ich habe ja auch eine Geliebte! Damit meine Freude vollkommen sei, so will ich, daß sie durch irgendwen erfahre, daß in meinem Kerker so viele Unglückliche schmachten. Sie liebt mich unendlich und hat das vollste Vertrauen zu mir; sie wird gewiß eilends kommen und wird mich mit pochendem Herzen um Gnade und Erbarmen für die Gefangenen anflehen.« - und wie der Herr sich dachte, so geschah es denn auch.

16] Was meint ihr nun, was der Herr da getan hat? - Der Herr hatte eine große Freude daran, daß er seiner Geliebten hatte zeigen können, wie viel ihre Liebe und ihr Zutrauen vermochte, und daß er zugleich aber auch seiner Geliebten eine Gelegenheit verschaffen konnte, durch welche ihr die Früchte wahrer Liebe und Treue so recht anschaulich wurden. Die Gefangenen aber werden den Herrn loben, so sie sehen werden, wie er einzig und allein nur durch Liebe zugänglich ist, und werden dann selbst Freunde und Kinder der Geliebten und so auch ihres Geliebten werden.

17] Seht, so sollt ihr beten - und sollt nicht denken, Mich etwa durch euer laues Gebet zur Barmherzigkeit zu bewegen; sondern damit ihr euch selber vor Mir in eurer Liebe stärken mögt und Mir darum wohlgefällig sei eure Bitte. Nicht um der Gefangenen willen, sondern eurer selbst willen sollt ihr für sie beten.



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