Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 16. Kapitel: Henoch bringt Uranion, seine 6 Brüder und die Kinder des Morgens zu Gott.

01] Und alsbald nach den Worten Henochs und nach der Vollbilligung derselben vom Abedam begab sich der Henoch hin zu den Kindern des Morgens, welche sich nahe an der Grotte Adams gelagert hatten.

02] Als er nun vollends bei ihnen ankam und sie seiner ansichtig wurden, da schrien sie vor Freude und sagten: »Sehet, sehet, der Henoch, der liebevolle, weise Lehrer Henoch, dessen Worten sogar der Erzvater Adam sich willigst unterwarf, kommt zu uns! Ja er ist schon zu uns gekommen und ist schon bei uns, unter uns und in uns!«

03] Und ein Vater des Morgens, namens Uranion, trat vor den Henoch hin und fragte ihn mit der größten und liebevollsten Ehrfurcht:

04] »Vater Henoch, du weisester Lehrer des großen Gottes, der da ist die ewige Liebe und Weisheit Selbst, welche heilige Absicht hat denn uns der hohen Gnade teilhaftig werden lassen, daß du selbst zu uns kamst?

05] Wahrlich, nichts Geringes magst du für uns im Hinterhalte haben!

06] So dein Wille es wäre, möchtest du uns es ja kundgeben; denn solches ist ja unser alleiniges Glück, und wir alle haben noch nie ein anderes gesucht, als nur etwas zu vernehmen von Dem, dessen Name zu heilig ist, als daß unsere Zungen würdig wären, ihn auszusprechen!

07] Daher, du allerehrwürdigster Vater Henoch, gib uns kund, was dich zu unserer großen Armseligkeit hergeleitet hat!«

08] Und der Henoch aber richtete darauf folgende Worte an sie und sagte: »So höret denn, ihr alle meine geliebten Väter, Brüder und Kinder! Fürs erste danke ich euch für eure Liebe gegen mich und alle meine und eure Väter, Brüder und Kinder und lobe eure allzeit rechte Gottesfurcht und allerseligste Liebe des großen, heiligsten, liebevollsten und allersanft- und langmütigsten Vaters in aller großen Demut eurer Herzen, - setze aber fürs zweite hinzu, daß eure große Liebe mich in alle Zukunft mit den nahe vergötternden Ausdrücken eurer liebwärmsten Gefühle verschonen möchte; denn sehet, niemand als nur allein Gott, unser aller liebevollster, heiligster Vater ist es, dem allein alle Ehre, alles Lob, aller Ruhm, alle Liebe und alle Anbetung gebührt!

09] Wir aber sind alle gemeinschaftlich Brüder untereinander, da keiner dem andern ein Herr sein solle, sondern, wie gesagt, nur ein Bruder und eine liebe Schwester und ein liebweiser Vater den Kindern und ein reiner, liebevoller Mann dem Weibe, und so es dem heiligen Vater wohlgefällt, daß ein Bruder den andern führe in aller Liebe, so dieser das Licht des Lebens verlor; was darüber ist, das alles sind wir nur dem heiligsten Vater schuldig.

10] Solches fasset in euer Herz, und höret nun weiter: Du, Uranion, hast mich schon gleich anfangs um die heilige Absicht gefragt, die mich zu euch hierher geführt hat; so vernimm denn, was ich dir nun kund geben werde:

11] Was möchtest du wohl von einem Menschen halten, dessen Wort also mächtig ist, daß es mit dem leisesten Winke schon einen Sturm, wie der gestrige es war, also zunichte macht, als wäre er nie dagewesen?

12] Der mit einem Worte diese ungeheure Prachtgrotte Adams, welche, wie es mehrere von euch heute früh werden bemerkt haben, vom Sturme bis zu Staubtrümmern zerstört ward, wieder also herzustellen vermochte, als wäre sie schon als ein Gebäude von Ewigkeit da gestanden!

13] Ja, ich sage dir, ein Mensch, vor dessen Hauche das Meer flieht, und vor dessen Stimme die ganze Unendlichkeit ehrfurchtsvollst erbebt, vor dessen Blicke die Sonne erlischt, unter dessen Tritte alle Welt zunichte wird, und zu dem er sein Herz wendet, der wird erfüllt mit aller Macht, Kraft und Gewalt über alle Dinge der Welt, und sein Herz wird zu einem allerlebendigsten Feuerbrande der reinsten Liebe, der innersten Demut und des ewigen Lebens aus ihr!

14] Sage mir, was du wohl halten möchtest von ihm! - Doch mich halte ferne jedem deiner Gedanken!«

15] Und der Uranion besann sich einige Augenblicke lang und gab endlich zur Antwort: »O Henoch, deine Worte klingen geheimnisvollst! Wenn es in aller Wahrheit irgend einen solchen Menschen gäbe, welch ein Unterschied wäre da wohl zwischen ihm und zwischen Gott?!

16] Denn was du von ihm aussagst, ist ja alles, was möglicherweise wir uns von Gott denken können, und also müßte dieser Mensch entweder von aller Gottheit selbst durchdrungen und erfüllt sein, oder der Mensch ist Gott Selbst!

17] Denn sonst wäre solches unmöglich zu fassen, wenn da nicht angenommen werden könnte, wie ich es vorher dir kundgab! Denn obschon der Mensch von Gott aus großer erstaunlicher Gnaden fähig ist, gleich wie ein kleines Gefäß, in welches wir sieben Handvoll Wasser tun können, da jeder Tropfen desselben ist ein Sammelplatz von sicher ungeahnten, zahllosen Wundern, aber wie es undenkbar ist, in dieses Gefäß das ganze ungeheure Meer zu bringen, so auch ist es undenkbar, daß es einen uns gleichen natürlichen Menschen geben soll, der für den Besitz rein göttlicher Größe, Kraft, Macht, Gewalt, Liebe, Gnade und Erbarmung also fähig sein möchte, daß er bestünde und nicht alsbald vergehe unter der endlosen Schwere solcher rein göttlichen Fülle!

18] Daher also, geliebter Henoch, drücke dich für uns nicht also geheimnisvoll aus, sondern zeige uns allen klar, was hinter deinem also übermächtigen Menschen steckt!«

19] Und der Henoch erwiderte ihm: »Ich sage dir, Uranion, rufe deine sechs Brüder zu dir, und folge mir dann mit allen deinen tausend Kindern, und siehe dorthin, auf der Morgenhöhe Adams sollt ihr alle diesen mächtigsten Menschen wesentlich näher kennen lernen!«

20] Und der Uranion tat alles nach den Worten Henochs und stand mit seinen sechs Brüdern alsbald wieder ganz fertig da.

21] Und der Henoch besah die Ordnung und erbat sich dann, ihm zu folgen.

22] Fröhlich und voll der größten Erwartung gingen sie der herrlichen Morgenhöhe zu. Als sie derselben aber schon ganz nahe waren, da ergriff sie alle eine große Angst und Bangigkeit, so zwar, daß sie sich kaum weiter getrauten.

23] Der Henoch aber flößte ihnen Mut ein, ihm nur beherzt zu folgen; allein es wollte sein Wort nicht durchdringen. Und der Henoch ward verlegen, einen so schlechten Boten gemacht zu haben.

24] Als er sich aber umsah, siehe, da stand schon Abedam ihm zur Seite!

25] Der Henoch, darüber höchst erfreut, wollte Ihm sogleich seine Not kundgeben.

26] Aber der Abedam sagte zu ihm: »Laß jetzt nur alles gut sein! Soweit deine Kraft zu wirken bestimmt war, hat sie auch treulichst gewirkt; jetzt aber, da Ich dir zu Hilfe kam, hast du keine Sorge mehr, - sondern lasse nun Mich sorgen!«

27] Darauf aber Sich zu den sieben wendend: »Warum fürchtet ihr euch denn weiterzugehen? - Sagt es Mir! Vielleicht weiß Ich ein Mittel, das euch sicher alle Furcht benehmen wird!«

28] Und der Uranion sagte darauf: ,Edelster Bruder und Freund! Es soll hier auf der vollen Höhe sich ein Mensch befinden, der da so mächtig sein soll, als wäre er Gott Selbst! Und dieser Gedanke hemmt unsere Glieder!«

29] Und der Abedam erwiderte ihm: »Wenn ihr sonst nichts fürchtet, dann ist eure Furcht nun schon zu Ende; denn sehet, dieser fürchterliche Mensch bin Ich Selbst! Wahrlich ein Mensch, dem die ganze Ewigkeit und Unendlichkeit, alle Himmel und alle Erden, alle Engel, alle Menschen und alle Kreatur ewig untertan sind und auch ewig bleiben werden!

30] Allein, warum sollt ihr euch darum vor Mir fürchten? Folgt Mir nur mutig, und fürchtet nichts; denn ihr werdet Mich gar bald von einer ganz anderen Seite kennen lernen! Amen.« Und sie alle folgten Ihm.



Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers