Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 93. Kapitel: Adams Neugier.

01] Nachdem der Asmahael ausgeredet hatte Sein zurechtweisendes Wort an die drei, da ermahnte Er den Seth, daß er die Kinder des Abends herbeirufen solle, und zwar besonders die Ältesten, damit sie nach dem Willen Adams auch von Ihm ein Wort der Freilassung empfangen und vernehmen sollen.

02] Als solches der Seth kaum vernommen, da war er schon einem Winde gleich unter den Kindern und tat ihnen mit großer Lebhaftigkeit kund das überaus segnende Vorhaben Asmahaels und bedeutete ihnen, daß sie ja voll Aufmerksamkeit sein sollten, da sie solche Worte noch nie hätten reden hören, wie sie Der reden werde alsbald, der da sitze auf dem Tiere.

03] »Denn Der ist - - - höret - Der ist - kurz, Kinder, - Er übertrifft an Liebe und Weisheit uns alle bei weitem, - und jedes Wort von Ihm - ist größer denn die gan - - das heißt - denn alle Worte von uns!«

04] Und alsbald kamen die Ältesten dem Asmahael näher und waren voll Aufmerksamkeit und sehnsüchtigsten Harrens auf Asmahaels Rede.

05] Als aber die bei hundert Schritte im Hintergrunde, das heißt hinter dem Rücken dieser vier stehenden Hauptstammkinder mit dem Adam merkten, daß hier etwas Außerordentliches im Anzuge sein müsse, weil die Kinder des Abends sich also um die vier zu drängen anfingen, sagte Adam:

06] »Höret, wie wäre es denn, so auch wir uns dahin begäben, um desto leichter zu sehen und zu vernehmen, was etwa der Asmahael alles zusammenreden wird; denn haben wir auch seine letzte Rede nicht so ganz aus der Wurzel erfaßt, so war sie aber doch voll Weisheit!

07] Es ist nur wahrhaftig zum Verwundern, wie weit es dieser junge Mensch aus der Tiefe in der kurzen Zeit von kaum drei Schattenwenden bloß durch das Anhören unserer liebweisen Reden gebracht hat; wie weit wird er es erst bringen, wenn er längere Zeit um Henoch und uns sein wird und auch Zeuge sein wird und Mitgenosse der heiligen Feier des Sabbats Jehovas!

08] Und so wollen wir uns denn auch hinzumachen; laßt uns alsonach gehen! Amen.«

09] Als aber die Kinder des Abends sahen, daß der Erzvater mit der Eva und den übrigen herbeigekommen war, machten sie ihm alsogleich Platz, daß er leicht zum Asmahael gelangen könnte und zum Seth, Kenan und Henoch.

10] Als Adam nun vollends in der Mitte bei den Seinigen sich befand, fragte er alsogleich, was nun vor sich gehen werde, und ob der Asmahael auch schon etwas gesprochen habe.

11] Seth aber grüßte ihn und sagte: »Höre, lieber Vater! Zu den Kindern hat Asmahael noch nicht gesprochen, sondern nur zu uns hat Er vorher geredet; jetzt aber tut Er deinem Willen gemäß auch ein Wort an die Kinder richten. Denn da Er mit uns gehen mußte, so muß Er ja deinem Willen nach tun, was wir schon alle getan haben, - nicht wahr, lieber Vater?«

12] Adam aber, voll frommer Neugierde, konnte nicht umhin, den Seth zu fragen, was denn der Asmahael vorher zu ihnen geredet hätte.

13] Diese Frage setzte den armen Seth in eine gänzlich sprachlose Verlegenheit. »Denn", dachte er, »sag' ich es, so werde ich zum Verräter; sage ich etwas anderes, so werde ich zum Lügner; und sage ich nichts, so werde ich zu einem ungehorsamen Sohne und muß dastehen wie einer, der muckt oder den fragenden Vater einer Antwort nicht für würdig hält!

14] Ich will aber Adam ein anderes Mal zur Anhörung der Antwort bescheiden, da die Zeit sehr kostbar ist, um den Asmahael nun nicht aufzuhalten in Seiner folgenden, gewiß unübertrefflichen Rede an die Kinder!«

15] Solches sagte Seth auch in aller Sanftmut dem Adam; aber dieser wollte sich nicht damit begnügen und bemerkte dem Seth:

16] »Höre, mein geliebter Ahbel (Abel)-Seth, ich merke, daß du dich vor mir verbergen möchtest! In deinem Herzen steht es anders! Warum errötetest du auf meine fromme Frage und wurdest verlegen und bei zehn Zahlen lang stumm?

17] Ich, Adam, dein Vater, aber sage dir: Nicht eher soll Asmahael den Mund öffnen, bis du mir eine getreue Antwort gegeben hast!

18] Höre, Gott und mir bist du Treue schuldig; daher rede ohne Verschub und Entschuldigung! Amen.«

19] Seth aber war außer sich vor Angst und konnte kein Wort hervorbringen.

20] Es trat aber alsbald Henoch hinzu und sagte zu Adam: »Vater, lieber Vater, hast du uns nicht selbst gelehrt, daß der gerade Weg der kürzeste ist? Ist nicht Asmahael unter uns? Warum soll Seth für Ihn antworten, da er doch leichter vielleicht etwas vergessen hätte, was Asmahael zu uns geredet, denn der hei - - - Redner, das heißt, denn Asmahael Selbst?! Wende dich daher an den Urheber all - - - das heißt an Asmahael Selbst, und sei überaus versichert, daß wir jedes Seiner Worte getreust als vollkommen wahr bestätigen werden! Amen.«

21] Adam aber fragte auch den Henoch, sagend: »Auch du gefällst mir nicht denn deine Rede ist nicht frei wie sonst! Sage du mir, was dem Seth die Zunge lähmt! Sage mir, was Asmahael zu euch gesprochen hat; denn dein Gedächtnis ist offenbar stärker denn das des Seth. Rede also du an seiner Statt, und ich bin damit zufrieden! Amen.«

22] Henoch aber entgegnete: »Vater, höre und verstehe mich wohl! Jedes Recht auf dieser Erde hat seine Grenzen wie die Erde selbst, und somit auch des Vaters Recht über seine Kinder.

23] So du aber von Seth und mir eine Antwort verlangst, hast du wohl in der Tiefe bedacht, ob das Gebot, das Seths und meine Zunge für den Augenblick vor dir bindet, nicht höher steht denn die etwas unzeitige Forderung von dir?

24] Und also auch verhält sich die Sache! Wir haben von Gott ein Gebot erhalten, darob zu schweigen vor dir bis zur Zeit Seines Wohlgefallens; daher wirst du uns fernerhin auch nicht zwingen, Gottes Gebot vor dir und Gott zu übertreten!

25] Von allem aber genüge deiner frommen Neugierde so viel, daß du, o Vater, wissen mögest und auch sollst, daß uns Jehova näher ist, als du es nur zu ahnen vermagst! Daher zwinge uns nicht, in Gottes Angesichte zu sündigen, sondern höre selbst - das heißt: So du wissen willst, was Asmahael zu uns geredet hat, so wende dich, wie schon gesagt, nur an Ihn; denn Er hat - das heißt, Er hat von Gott meines Wissens kein Gebot erhalten, vor dir zu schweigen.

26] Er ist ganz frei, - aber nicht also steht es mit uns; daher verschone uns vor der Zeit mit der Frage! Amen.«

27] Adam aber wurde es bei dieser Rede ganz sonderbar zumute, und es kam ihm vor wie zur Zeit seiner Nacktheit, als er sich nach der Sünde in der Höhle verbarg und Meine Stimme vernahm die da fragte. »Adam. Wo bist du?«

28] Er war auf eine solche Veränderung nicht gefaßt; daher ward er auch ganz traurig und wußte sich nicht zu raten und zu helfen. Er ließ sich daher ganz stumm zur Erde nieder und weinte und trauerte bei sich im Herzen:

29] »Mein großer Gott und Herr, Schöpfer aller Dinge und heiliger Vater aller Geister und Menschen! Hast Du mich denn erschaffen, um mich zu quälen vom Anfange bis zur Stunde?

30] Oh, wie sehr müßte ich mich dann in Deiner Liebe irren! Warum mußte ich selbstbewußt lebendig werden, um Dir zur ewigen Kühlung Deines großen Mutwillens zu werden? Wären tote Steine dazu denn nicht gut genug?

31] Du belebtest mich mit allen Sinnen und hauchtest mir allerlei Begierden ein und gabst mir gegen dieselben Gebote, auf daß sie mich vor Dir verderben möchten und Du mich dann verdammen mögest!

32] O Herr, so Dir irgend Liebe und Erbarmen eigen ist, so tue mit mir nun, was Du tun wolltest nach meiner Sünde, und vernichte mich auf ewig! Mache mich, als wäre ich nie gewesen; denn es ist ja unnennbar besser, ewig nicht zu sein, denn zu sein als ein sich frei bewußtes Wesen unter dem ewigen Drucke Deiner unbesiegbaren Macht und zu dienen Dir zum Spielzeuge, ja zum schnöden Spielzeuge Deines ewig unermeßlichen, Dich allein nur vergnügenden Mutwillens.

33] Ein Gott bist Du und ein übermächtiger Herr; aber ein Vater bist Du nimmer!

34] Sage, so Du willst und magst, ob ich als Vater mit meinen Kindern je solchen Mutwillen getrieben habe! Habe ich sie je gelehrt, vor Dir stumm zu sein?! Warum bindest Du ihre Zungen und Herzen vor mir?

35] Wer oder was bin ich denn, daß Du mich quälst? Vernichte mich, und treibe Deine Lust mit Steinen und anderen Dingen!

36] Bist Du ein heiliger Gott, - wie magst Du mir unheilige Begierde gegen Deine Heiligkeit einhauchen?!

37] Bin ich Dein Werk, so vernichte mich; und bin ich es nicht, so laß mich, wie ich bin! Amen, amen, amen.«


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