Leopold Engel (1858-1931): 'Das große Evangelium Johannes', angeblicher 'Band 11', Achtung! krit. Anmerkungen


Kapitelinhalt 003. Kapitel

01] Alsbald kam der Wirt, welcher Mucius hieß, ganz leuchtend vor innerem Grimm in unseren Saal, der durch eine feste Tür von dem anstoßenden Gemach getrennt war, so daß eine Überraschung nicht gefürchtet zu werden brauchte, zu uns herein und sagte bebend vor Zorn: »Herr und Meister, da ist doch einmal wieder ein rechter Beweis, wenn ich gestern die Jerusalemer und namentlich die Templer für schlechter noch als die schmutzigsten Schweine erklärte: denn mit aller Arglist versucht man es, mich in die Netze des Tempels zu ziehen. Am liebsten wäre ich über diese Elenden hergefallen und hätte ihnen die Schärfe meines Schwertes zu verkosten gegeben, das noch lange nicht in seiner Scheide eingerostet ist; aber da fühlte ich in meinem Herzen Dein besänftigendes Wort, dem ich gehorchte, und ich vermochte es sogar dadurch, ein ruhiges, gleichgültiges Äußeres zu zeigen.«

02] »Daran hast du sehr wohlgetan«, antwortete Ich dem erregten Mucius, »denn das Gegenteil würde Mir und dir eine Arbeit vernichtet haben, um derentwillen Ich ebenfalls hierhergekommen bin. Und so beruhige dich denn, Mein lieber Mucius, denn so wie es ist, ist es gerade recht!

03] Laß uns aber nun ins Freie gehen! Du hast hier an deinem Hause einen recht schönen, nicht zu kleinen Garten, dort können wir unbehinderter als hier sprechen und beraten, was denn eigentlich mit diesen dich so verzweifelt ärgernden Menschen anzufangen ist.«

04] Als nun alle in diesen Garten traten, staunten sie über den ausnehmend guten Geschmack, mit dem derselbe angelegt war. Mucius hatte es verstanden, mit viel Sorgfalt auf einem verhältnismäßig kleinen Fleck Erde eine Fülle von allerhand Blumen und Ziersträuchern zu pflanzen, welche, malerisch verteilt, dem Garten ein höchst liebliches Ansehen gaben. Die Jünger belobten deswegen auch unseren Wirt lebhaft und meinten, dieser Garten sei ein treues Bild seines inneren Wesens, das auch eine sorgfältige eigene Pflege genossen habe, wie aus seinen Reden bereits hervorgegangen sei.

05] Mucius erklärte ihnen nun, daß es ihm stets einen hohen Genuß gewähre, hier stille Stunden der Andacht zu feiern, und daß sein oft allzu feuriges und daher auch zu einem aufwallenden Zorn geneigtes Gemüt hier stets Ruhe und Frieden gefunden habe, daß auch des Lebens Druck ihm weniger empfindlich erschienen sei, wenn er durch ein Betrachten der vielen hier zu findenden Natur- und Pflanzenwunder sein Gemüt gestärkt habe. Zwar sei in dieser Jordangegend ein ganz besonders günstiges Klima, das ihn oftmals an die südlicheren Gegenden Afrikas und Asiens erinnert habe, welche kennenzulernen er als Soldat ebenfalls Gelegenheit gehabt habe, - aber immer habe es ihm doch geschienen, daß es mit dem besonderen Blühen und Gedeihen seines Gärtchens eine besondere Bewandtnis haben müsse; denn noch nie sei es bei ihm vorgekommen, daß ein von ihm gepflanzter Baum, Strauch oder eine Staude jemals eingegangen sei, wie es bei seinen Nachbarn doch wohl vorkäme, sondern stets habe alles, was er gepflanzt und gepflegt, die reichste Frucht getragen. Auch Meine Jünger wunderten sich sehr darüber, und Petrus fragte Mich, woher denn das wohl käme.

06] Antwortete Ich darauf: »Das Sinnen, Trachten und Handeln eines Menschen, sowie seine innere, geistige Beschaffenheit, steht stets im Einklang mit seiner äußeren Umgebung, so daß sich alsbald Wechselwirkungen daraus ergeben. Ihr wißt, und Ich habe es euch auch schon gesagt, daß ein jeder Mensch von einer Außenlebenssphäre umgeben ist, vermöge derer er aus der ihn umgebenden Luft geistige Influenzen einsaugt, die er zur Ernährung und Erweiterung seines seelischen Ichs gebraucht.

07] Ebenso strahlt er auch aus sich wieder vergeistigte Stoffe aus, die nun von der ihn umgebenden niederen Welt gierig aufgesogen werden. Ist der Mensch gut, voll edlen Strebens und von Liebe zu Mir erfüllt, so werden auch diese ausströmenden Partikel gut, milde und wohltätig wirken können. Ist er es nicht, so tritt das Gegenteil ein.

08] Hier könnt ihr nun sehen, wie sehr wohltätig die ausströmende Lebenssphäre des Mucius auf alle Pflanzen wirkt. Da er nun selbst jede Pflanze hier eingesetzt und auch dauernd gepflegt hat, so hüllte er wiederholt alle in seine Sphäre ein, und diese benutzen die Gelegenheit eifrigst, diese mildtätigen Einflüsse in sich aufzunehmen. Daher blüht und grünt denn hier auch noch alles, während in anderen Gärten der Spätherbst sich schon sehr bemerkbar macht.

09] Es ist der Mensch aber ein Beherrscher der Natur, wenn er nach Meinem Worte lebt und nach Meinem Geiste strebt, und in dieser Fähigkeit, die Ich euch erklärt habe, liegt auch der Schlüssel, warum er es sein kann, - denn alles im ganzen Universum strebt nach seiner Form, nach seiner Vollendung und sucht sich ihr nach Möglichkeit zu nähern.

10] Es ist daher im Menschen die Kraft, alle Wesen an sich zu ziehen, die ihm auch gerne folgen, weil der schon in allen Wesen liegende innere Trieb zur Vollendung ihnen den Wunsch dazu eingibt. Natürlich kann aber nur ein vollendeter Mensch imstande sein, zum Beispiel die Instinkte der reißenden Tiere soweit zu besiegen, daß der in diesen liegende innerste Wunsch nach Vollendung die Oberhand über ihre oft grausamen Triebe erlangt und sie sich gleich Lämmern fügen, da sie die Oberhoheit, das heißt die schon vollendete Form und geistige Macht im Menschen erkennen.

11] Jeder strebende Mensch wird aber erkennen, wie er stufenweise allmählich auch ein kleiner Herr in der Natur wird und, je mehr die Wiedergeburt des Geistes bei ihm eintritt, schließlich zu einem Herrscher über die Natur erwächst.

12] Fahre du nur so fort, Mucius, in deinem Herzen dem höchsten Gott zu dienen, und noch ganz andere Wunder werden sich dir erschließen als die, welche du bisher in deinem Garten vorgefunden hast!«

Krit. Anmerkungen zur Person und den Werken von Leopold Engel



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