Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 60


Gleichgültitgkeit von Kaufleuten auf geistigem Gebiet.

01] Es fehlten noch nahe drei Stunden bis zur Tagesmitte, als wir nach Meiner Beheißung unser Zimmer verließen und durch eine Menge von Gästen ins Freie hinausgingen. Der Wirt, der mit den Gästen viel zu tun und zu reden hatte, bat Mich um Vergebung, daß er Mir wegen der vielen Gäste so wenig Aufmerksamkeit habe widmen können.

02] Ich aber sagte zu ihm: ”Mache du dir nur nichts daraus! Wer mit seinem Herzen bei Mir ist, der kann mit seinen Gliedern unbeirrt sein nötiges Tagewerk verrichten, wie er mag und kann, und wie es sein Gewerbe erfordert, und er widmet Mir dennoch die vollste und wahrste Aufmerksamkeit; jede andere aber hat vor Mir ohnehin keinen Wert.

03] Wir werden nun bis zum Mittage hin ins Freie gehen und werden längs dem Ufer des Meeres Tätigkeit in Augenschein nehmen. Bevor wir aber selbst zurückkommen werden, wird ein von Mir verordneter, recht tüchtiger Regen kommen, der diese Mir lästigen Kaufleute vor uns nach Hause treiben wird, wie Ich zuvor dessen schon erwähnt habe; denn vor einem Gewitter haben diese Weltmenschen die größte Furcht. Wenn sie ein Gewitter werden herannahen sehen, da werden sie sich auch sogleich und allereiligst in die Stadt zurückbegeben. Siehe nur, daß dir keiner mit der Zeche durchgeht!“

04] Sagte der Wirt: ”O Herr, ich danke Dir für diesen Rat und gar besonders für das verheißene Gewitter; denn diese Gäste sind mir die allerlästigsten!“

05] Darauf gingen wir, weil der Wirt von einem Gaste gerufen ward, was ihm sehr unlieb war.

06] Als wir im Freien waren, fragte Ich den Petrus: ”Nun, hast du deinen alten Freund bemerkt?! Wie gefiel er dir?“

07] Sagte Petrus ganz ärgerlich: ”Ah, da hört alles auf zu sein! Wenn uns diese Menschen aber auch nur eines Blickes gewürdigt hätten oder wenigstens einer den andern gefragt hätte, wer wir wären! Aber nein, nicht einmal eines Blickes haben sie uns gewürdigt, obwohl sie Dich kennen und schon gar vieles von Dir gehört haben! Wahrlich, derlei ganz stumme und gleichgültigste Menschen sind mir noch gar nie vorgekommen! Wenn wir heute unter eine Schweineherde kommen, so werden diese Tiere uns sicher anschauen und uns anzugrunzen anfangen; aber für diese Menschen sind wir so rein gar nichts, als wären wir im Ernste gar nicht da. O du schlechte, taube und stockblinde Welt! O Herr, laß nur ein recht allerheftigstes Gewitter mit zahllos vielen Blitzen über sie losbrechen, auf daß ihnen ihr überstoischer Gleichmut vergeht! Ja wahrlich, das sind vollwahrst die Schweine, denen man Deine Lebensperlen nicht vorwerfen soll!“

08] Sagte Ich: ”Ich habe es dir zuvor gesagt, daß es sich also mit diesen Kaufleuten verhält! Sie kennen nur ihre Ware und ihr Geld. Wer ihnen gegenüber keine Ware und kein Geld hat, der ist ihnen gegenüber auch so gut wie gar kein Mensch. Was sie über einen Menschen unserer geldlosen Art noch zu denken sich herabwürdigen, besteht bloß in dem, daß sie bei sich rechnen und sagen: "Siehe, was könnte dieser Tropf als ein Sklave wert sein?" Nur als eine schlechte Ware könnten wir alsonach für sie noch irgendeinen Wert haben; denn da gibt es viele darunter, die geheim den Sklavenhandel betreiben, und dein alter Freund ist einer der stärksten unter den andern und hat seine Geschäfte alljährlich in Ägypten, in Rom, in Griechenland und auch in Persien. - Was sagst du dazu, wenn ein Jude solches tut?“

09] Sagte Petrus: ”Der solle gesteinigt werden! Aber ich und eigentlich schon wir alle begreifen das noch immer nicht so ganz recht, wie Du, o Herr, solchen Freveln der garstigen Menschen mit so vieler Geduld und Langmut zusehen kannst; denn das geht ja schon über Sodom und Gomorra hinaus. Wenn das die Heiden tun, so sind sie zu entschuldigen, - aber ein Jude nimmermehr!“



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