Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 220


Von der Wiedergeburt und der rechten Erziehung des Menschen.

01] (Der Herr:) ”Was würde denn ein Baum für Früchte bringen, so an ihm nicht alle das Gemüt ergötzenden Erscheinungen der Ansetzung der ersten Frucht vorangingen? Wie nähme sich ein Herbst an der Stelle des Frühlings und ein Frühling an der Stelle des Herbstes aus, dem gewöhnlich der kalte und starre Winter zu folgen pflegt? Würde da des Winters Frost nicht das gemüterhebende Blütentum verderben und das hoffnungstrahlende Blatt töten samt der wahren Frucht, die erst von der Blüte zu einem gedeihlichen Sein und Werden gesegnet und belebt wird? Da würde wohl des Baumes Holz zunehmen, aber nimmer würde jemand von euch je eine Frucht am selben reifen sehen!

02] Und so ist es gerade auch mit einem Menschen und ganz besonders mit dessen Seele! Alles wird zur groben Materie, von der keine andere Frucht kommt als jene nur, die man endlich abhaut und als Holz im Feuer des Gerichtes verbrennt, um am Ende etwa doch noch aus der Asche einen Nutzen zum Düngen und Reinigen des schlechten und mageren Erdreichs (materielle Landeskulturkenntnisse) zu gewinnen.

03] Wer denn seine Kinder beim Verstande zu wecken und zu bilden anfängt, der beginnt ein Haus beim Dachgiebel zu bauen und schöpft Wasser in ein durchlöchertes Gefäß. Naß wird es wohl sein, solange sich der Schöpfer mit solch einer vergeblichen Arbeit abgeben wird; aber es wird für sich dennoch nie ein Tropfen lebendigen Wassers darin verweilen, und mit den wundervollen Äußerungen des Seelenlebens wird's wohl für alle Zeiten nichts sein. Man müßte denn das durchlöcherte Gefäß klein verstopfen mit einer unsäglichen Mühe, so möchte es dann auch wohl das Wasser halten. Aber wie leicht verfault ein zu wenig gutes und fest eingepfropftes Zäpfchen, und das Gefäß kann mit der Zeit wieder ganz lebenswasserleer werden!

04] Es ist das also zu nehmen: Ein verstandesgebildeter Mensch kann es durch viele Selbsverleugnungen auch zu einer wirksamen, nachträglichen Gemütsbildung bringen; ist er aber dabei nicht äußerst sorgsam und gibt nicht gehörig acht auf die vielen Pfropfen, mit denen er sein Lebensgefäß in allen seinen vielen Löchern (irdischen Schwächen) verstopft hat, und läßt er auch nur einer Schwäche oder einem Löchlein, das nicht sorgsam genug verstopft ist, Luft, so wird er sich ehest überzeugen, wie das angesammelte Lebenswasser ihm durchgegangen ist, und wie er ganz unvermerkt wieder ganz der alte Mensch ohne allen innern Lebensgehalt geworden ist!

05] Darum aber empfahl Ich euch vor allem die Nächstenliebe, die da kommt aus der Liebe zu Gott! Denn diese allein vermag aus eurer gänzlichen Verkehrtheit wieder Menschen in Meiner Ordnung zu machen. Lasst euch von der Welt nicht verblenden; denn alles, was sie euch gibt, ist Tod und Gericht, eine Frucht des puren Verstandes! Nur die Liebe allein kann euch ins Leben umgestalten!

06] Darum bin Ich gekommen in die Welt, um euch zu zeigen die rechte Umkehr zu Meiner Ordnung zurück und den rechten Weg, fortzuwandeln in derselben bis zur Erreichung der wahren Wiedergeburt des Geistes in die Seele, nach der kein böser Rückfall mehr denkbar und möglich ist.

07] Dieses muß bei euch nun angebahnt werden, da denen, die einmal verkehrt worden sind, mit der alleinigen geflickten Umkehr der Seele wenig geholfen wäre. Die Seele muß zwar vorher ganz umkehren, bevor die Wiedergeburt des Geistes in die Seele zu erlangen ist; aber der ausgestopfte und ausgeflickte, also auf den rechten Weg gebrachte bessere Seelenzustand ist nicht haltbar, weil durch die Macht der Welt und ihre zeitlichen Vorteile eine pur ausgeflickte Seele nur zu leicht bei der nächsten, etwas stärker lockenden Gelegenheit wieder in ihre alt angewohnte Verkehrtheit verfällt.

08] Um das aber möglichst zu verhüten, habe Ich nun den neuen Weg also angebahnt, dass Mein Geist, den Ich nun als einen Funken Meiner Vaterliebe in das Herz einer jeden Seele lege und gelegt habe, durch eure Liebe zu Mir, und daraus wahrhaft und tätig zum Nächsten, genährt werde, in eurer Seele wachse und nach Erreichung der rechten Größe und Kraft sich völlig mit der gebesserten Seele vereine und eins werde mit ihr, welcher Akt dann die Wiedergeburt des Geistes heißen soll und auch heißen wird.

09] Wer diese erreicht hat, der steht dann freilich ums unvergleichbare höher als eine für sich allein noch so vollkommene Seele, die zwar auch vieles vermag, aber dessenungeachtet dennoch ewig nicht alles, was dem völlig Wiedergeborenen vorbehalten ist.

10] Dieser Funke Meiner Liebe aber wird in das Herz einer Menschenseele erst dann gelegt in der Fülle, wenn ein Mensch Mein Wort vernommen und es in seinem Gemüte gläubig und mit aller Liebe zur Wahrheit angenommen hat; solange dies nicht der Fall ist, kann kein noch so seelenvollkommener Mensch zur Wiedergeburt des Geistes gelangen. Denn ohne Mein Wort, das Ich nun zu euch rede, kommt der Funke Meiner Liebe nicht in das Herz eurer Seele, und wo er nicht ist, kann er auch nicht wachsen und gedeihen in einer Seele und somit in derselben auch nicht wiedergeboren werden.

11] In der Folge aber werden auch die Kindlein, so sie auf Mein Wort und auf Meinen Namen gezeichnet und getauft werden, den Geistesfunken Meiner Liebe ins Herz ihrer Seele gelegt bekommen; aber dieser wird dennoch nicht wachsen bei einer verkehrten Erziehung, wohl aber bei einer Erziehung nach Meiner euch allen nun überklar gezeigten Ordnung, nach der vor allem das Gemüt, und von dem aus erst entsprechend der Verstand, gebildet werden soll. Das Gemüt aber wird gebildet durch die wahre Liebe und durch Sanftmut und Geduld.

12] Lehret früh die Kindlein den Vater im Himmel lieben, zeiget ihnen, wie gut und liebevoll Er ist, wie Er alles, was da ist, zum Besten der Menschen höchst gut, schön und weise erschaffen hat, und wie gar so sehr Er besonders den kleinen, Ihn über alles liebenden Kindlein zugetan ist! macht sie bei jeder besonderen Gelegenheit aufmerksam, dass so etwas alles der Vater im Himmel anordnet und geschehen macht und läßt, so werdet ihr die Herzen der Kleinen zu Mir kehren, und Meine Liebe wird in ihnen ehest zu wuchern anfangen! Wenn ihr also die Kleinen leiten werdet, dann wird eure leichte Mühe euch bald die güldensten Früchte tragen, - sonst aber Dornen und Disteln, auf denen weder Trauben noch Feigen wachsen!

13] Sagt Mir nun aber auch offen, ob ihr jetzt wohl versteht, wie und aus welchem Grunde diese unsere schwarzen Brüder solche Taten zustande bringen können, die euch vorderhand noch ein rätselhaftes Wunder waren und sein mußten!“



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