Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 114
01] Nach einer kurzen Weile aber sagte die Jarah, durch Meinen freundlichen Blick mehr in sich gerückt: Herr, Du meine alleinige Liebe! War ich etwa doch nicht, Dich beleidigend, ein wenig zu vorlaut mit meiner anscheinenden Eifersucht wegen dieser herrlichsten Helena? Und war ich's, so vergib es mir, Du meine alleinige Liebe!
Aufschluß über das Erwachen im Geist. 02] Sage Ich: Sei ruhig, Meine Tochter! Kann doch selbst ein böser Mensch durch die Liebe nicht beleidigt werden, wie möglich dann erst Ich! Liebtest du Mich weniger, so würdest du dich nicht fürchten, dass etwa Meine Liebe zu dir darum schwächer werden könnte, so Ich auch diese Helena mit aller Liebe ergreife; aber weil du Mich wirklich über alles liebst, so hatte dich auf einige Augenblicke solch eine Furcht angewandelt, und das geschah dir bloß aus dem Grunde, weil du auf eben ein paar Augenblicke aus den Augen deiner Seele verloren hast, wer Ich so ganz eigentlich bin. Nun du aber darin wieder ganz helle geworden bist und nun wohl weißt, wer Ich bin, so beirrt dich die Helena nicht mehr.
03] Sieh an die Sonne am Firmament, wie sie die Blumen des Feldes beleuchtet! Sage: Wäre es nicht töricht von irgend einer Blume, so sie darum grämlich würde auf die Sonne, weil sie auch ihrer Nachbarin ein gleiches Maß Lichtes zukommen läßt?
04] Sieh an die großen Sterne, von denen es dir vergönnt war, ein paar in der Nähe und in ihrer Natur zu besehen! Siehe, diese alle und noch endlos viele mehr, die keines Menschen fleischlich Auge je schauen wird, bestehen und leben aus Meiner Liebe! So aber Meine Liebe für diese endlos vielen und großen Kostgänger ausreicht für Ewigkeiten der Ewigkeiten, wie kannst du, Mein liebstes Töchterlein, je in eine Art Furcht kommen, als könntest du ob der Helena bei Mir in der Liebe zu kurz kommen?! Siehst du nun das Eitle deiner ein paar Augenblicke lang währenden Furcht, als könntest du in der Liebe bei Mir verkürzt werden?
05] Sagt die Jarah: Ja, Herr, Du meine Liebe, Du mein Leben, ich will von nun an eine rechte Freundin der lieben Helena sein und will von ihren Tugenden welches und welches (so manche) mir zu eigen machen. Ach, wären doch meine älteren Schwestern auch so gestimmt wie diese Helena, was wäre das für eine Freude für mich! Aber die sind weltlich gesinnt, und es ist mit ihnen von geistigen Dingen nicht viel zu reden; da sind die Töchter des alten Markus viel brauchbarer denn meine Schwestern! Wenn es nur da ein Mittel gäbe, meine Schwestern geistiger zu machen!
06] Sage Ich: Laß das, und wenn du nach Hause kommst, so wirst du deine Schwestern schon auch fürs Geistige empfänglicher finden, als sie früher waren! Zudem bleibt dir ja dein Raphael zur Seite, und mit ihm wirst da deine Schwestern und Bruder schon auch noch zurechtbringen.
07] Übrigens geht das bei mehr weltlich gesinnten Menschen eben nicht so schnell, als man sich's vorstellt. Es gehört oft viel Zeit und Geduld dazu, um eine Seele von aller Schlacke zu reinigen.
08] Bevor aber solch eine totale Reinigung nicht erfolgt ist, läßt sich mit dem Grundgeistigen nicht viel machen; denn damit den Verstand beschäftigen, heißt ein Haus auf dem Sande bauen.
09] Da muß das Herz die Sache ergreifen; ist aber dieses noch voll Materie, so kann ja darin das Reingeistige keinen Anhaltspunkt finden! Daher mußt du bei deinen Schwestern auch vor allem darauf sehen, dass ihre Herzen von allem, was materiell ist, völlig frei werden, dann wirst du eine, leichte Arbeit mit deinen Schwestern haben, derer du dich nun gut kümmerst; aber Ich lobe deinen Kummer und sage es dir, dass er nicht mehr lange andauern wird! - Hast du, Meine allerliebste Jarah, auch das nun so ganz wohl und klar begriffen?
10] Sagt Jarah: O ja, insoweit ein Mädchen von vierzehn Jahren so etwas Geistiges begreifen kann! Es mögen hinter dem von Dir nun mir Gesagten wohl noch endlose Tiefen verborgen sein, die mein Gemüt noch lange nicht ergründen wird; aber was sich für den Augenblick des Erdenlebens zwecklich begreifen läßt, das glaube ich wohl begriffen zu haben, und Du, o Herr, wirst den Verstand meines Herzens sicher nicht zuschanden werden lassen. Aber unsere liebste Helena ist nun fest eingeschlafen, und ich werde mit ihr sonach nicht viel reden können!
11] Sage Ich: Das macht ja nichts: denn wir haben ja noch Menschen genug um uns, mit denen wir uns ganz gut besprechen können, so wir schon durchaus mit jemand sprechen müssen! Es wird sich aber bald etwas ereignen, das wieder alle unsere Aufmerksamkeit in den vollsten Anspruch nehmen wird, und es wird dann wieder wenig Zeit zum leeren Reden übrigbleiben!
12] Fragt schnell Jarah: O Herr, was wird denn geschehen?
13] Sage Ich: Sieh, das brauchst du zum voraus ja gar nicht zu wissen; wenn es geschehen wird, dann wirst du es noch immer früh zur Übergenüge erfahren!
14] Fragt Mich nun gleich auch der Mir gegenüber mit dem Mathael auf einer Rasenbank ruhende Ouran: Herr, wird uns allen irgendeine anscheinende Gefahr drohen?
15] Sage Ich: Uns wohl kaum, aber andern Menschen, die nicht bei Mir sind auf diesem Hügel! Richtet eure Augen nur nach Cäsarea Philippi hin, und ihr werdet es bald entdecken, von wannen der Wind kommen wird!